Linksintellektueller Fremdenhass in der neuen Bundesrepublik?
Die "Einheit" überdauern "Spaltungen" - in der Gesellschaft und in den Köpfen. Thomas Schmid ("Blätter", 10/1990) und Jörg Gutberger/Frank Lübberding (ebd., 11/1990) haben ihre westdeutschen Selbst- und Fremdwahrnehmungen zum Einigungsprozeß zu Papier gebracht. Nun antworten zwei Ost-Berliner Autoren. - Eine Konfrontation unterschiedlicher Erfahrungen und Standpunkte, die auszutragen eine unverzichtbare Voraussetzung künftiger Verständigung ist. D. Red.
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Fremdenhaß resultiert aus konkreten Konflikten. Sehen sich Menschen in ihrem gewohnten Lebensmilieu ebenso plötzlich wie massiv mit unbekannten Denk- und Verhaltensweisen Fremder konfrontiert, erzeugt dies Unbehagen, Verunsicherungen und Ängste. Sie fühlen sich persönlich bedroht und ihre bisherige Lebenswelt gefährdet, entwickeln den Neuankömmlingen gegenüber emotionale Reservehaltungen, begegnen ihnen mit unverhülltem Mißtrauen und ziehen sich unter dem Druck der alltäglichen Verhaltenszumutungen auf Überlegenheitsgefühle zurück. Das Fremde wird als Feindliches, der Fremde als Feind identifiziert. Fremdenhaß legitimiert sich über abstrakte Ideale. Die durch die Fremden hervorgerufene permanente Störung der traditionellen Gefühls- und Alltagswelt der Menschen erzeugt bei diesen Orientierungsnöte.