Ausgabe August 2004

Rückkehr des Rechts nach Guantánamo?

Guantánamo Bay steht in der Öffentlichkeit als Symbol für den Kampf gegen den "internationalen Terrorismus", bei dem die Grenzen des Völkerrechts oft überschritten werden. Seit das Schreckgespenst Abu Ghraib hinzugekommen ist, hat sich diese Ansicht verfestigt. Das soll nun anders werden, vertraut man den ersten Verlautbarungen zu der am 28. Juni 2004 verkündeten Entscheidung des Supreme Court (Rasul et al. vs. Bush et al.).

Aber was sagt das Völkerrecht überhaupt zu einer Situation wie in Guantánamo, wo seit Anfang 2002 etwa 600 Gefangene festgehalten werden, die während der Kämpfe in Afghanistan festgenommen wurden?

Wesentliche Bedeutung dafür kommt dem Genfer Abkommen Nr. III von 1949 zu. Es gilt als eines der ausgereiftesten, die Erfahrungen der beiden Weltkriege aufnehmenden völkerrechtlichen Vertragswerke. Durch seine präzisen und akribischen Formulierungen soll es unmittelbar, ohne weitere innerstaatliche Durchführungsvorschriften, anwendbar werden. Es ist seit langem von allen Staaten ratifiziert worden (191) - auch von Afghanistan und den USA - und gilt daher den meisten Juristen als Gewohnheitsrecht. Zentral sind die Bestimmungen über den Begriff der Kriegsgefangenen, die genau festlegen, wer zu dieser Kategorie gehört. Geregelt ist dort ebenfalls (Art. 5 Abs. 2), was zu geschehen hat, wenn Zweifel entstehen, ob eine bestimmte Person in Gewahrsam einer Streitmacht tatsächlich als Kriegsgefangener zu betrachten ist.

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