Ausgabe Oktober 2013

Das Beil überlebt seinen Herrn

Wenn am 13. Oktober in der Frankfurter Paulskirche der diesjährige „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“ verliehen wird, ehrt man mit ihm eine wichtige Chronistin der Sowjetunion und ihrer Nachfolgestaaten, die dafür sogar ein eigenes Genre schuf. Wie keine Andere gibt Swetlana Alexijewitsch den Menschen ihrer Heimat eine Stimme, von den Verlorenen der Kriegsgeneration bis zu den neuen, reichen Russen.

1948 in der Ukraine geboren und in Weißrussland aufgewachsen, wurde Alexijewitsch durch ihre Dokumentarliteratur bekannt – zumal diese nicht nur gelesen werden kann, sondern auch auf der Bühne wirkt, seitdem sie durch ihr Weltkriegsepos „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ auch international berühmt wurde.

„Secondhand-Zeit“, Swetlana Alexijewitschs jüngstes Buch, ist die Quintessenz ihres Lebenswerks. Ein Kompendium vom Aufstieg und Fall des sowjetischen Imperiums in Geschichten von Tod und Liebe, Verrat und Rache, Lüge und Willkür. Im Kern ist es eine dichtgewobene Geschichte der Sowjetunion von unten, vielstimmig erzählt: von der durch Stalins Schergen veranlassten Hungersnot 1932/33, dem Großen Terror mit der ins Gigantische mutierenden Lagerwelt des Archipel Gulag bis zum bitteren Sieg im Zweiten Weltkrieg: „Die Sieger! Nur ihre Frauen wissen, was es hieß, mit einem Sieger zu leben.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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