Ausgabe Mai 2015

Gewalttätigkeit ist wieder gesellschaftsfähig

Am 13. April starb im Alter von 87 Jahren der Schriftsteller und Bildhauer Günter Grass. 1999 mit dem Nobelpreis für sein literarisches Werk ausgezeichnet, war er stets auch ein eminenter homo politicus. Daher dokumentieren wir den ersten Teil seiner hellsichtigen Rede zum 1. Mai aus dem Jahre 1968 (gehalten in Hildesheim). Kurz nach dem Anschlag auf Rudi Dutschke kritisiert Grass die wachsende Gewalttätigkeit in der politischen Auseinandersetzung, von rechts wie links, und plädiert für eine Hinwendung der SPD zu den Anliegen der Studentenbewegung. Wir danken dem Steidl-Verlag für die Abdruckgenehmigung (aus: Günter Grass, Essays und Reden, Band I, 1955-1979, S. 321-336, Werke: Göttinger Ausgabe Band II, Göttingen 2007; zuerst erschienen in: „Der Spiegel“, 6.5.1968, S. 52-58; auch leicht gekürzt unter dem Titel: Auch der SDS muß sich zur Einsicht bewegen lassen in: „Frankfurter Rundschau“, 3.5.1968). – D. Red.

Meine Damen und Herren, vor wenigen Jahren noch gefiel sich die Bundesrepublik als neo-biedermeierliche Gesellschaft, die, zwischen emsigem Fleiß und politischer Lethargie, Ruhe, Ordnung und Sicherheit pflegte.

Und nun auf einmal bewegt Unruhe die Deutschen.

Sie haben etwa 7% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 93% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.