Anfang Mai schreckte eine blutige Polizeiaktion in Mazedonien die europäische Öffentlichkeit auf. Noch am Tage des Feuergefechts zwischen albanischen Extremisten und einer Spezialeinheit der Polizei in der Stadt Kumanovo kam der Verdacht auf, die Kämpfe seien inszeniert, um einen politischen Konflikt in dem minderheitenreichen Balkanland in einen ethnischen umzuleiten. Mehr als zwanzig Menschen, Extremisten und Polizisten, starben.
Die akute Krise im Land aber währt schon seit einem halben Jahr. Im Februar hatte die sozialdemokratische Opposition begonnen, die Protokolle abgehörter Telefongespräche unter Regierungspolitikern, die sogenannten „Bomben“, zu veröffentlichen. Sie belegen, was Nichtregierungsorganisationen seit langem behaupten: dass Wahlen gefälscht, Oppositionelle bedroht, Gerichtsurteile bestellt werden. Vorwürfe an Premier Nikola Gruevski, er regiere das Land mit einem kleinen, informellen Zirkel von Verwandten und Getreuen auf zunehmend diktatorische Weise, reichen bis ans Ende des vergangenen Jahrzehnts zurück. Seit der letzten Wahl im April 2014 boykottieren die Sozialdemokraten unter Fälschungsvorwürfen an die Regierung die Parlamentsarbeit. Im Mai gingen erstmals Zehntausende Mazedonier gegen die Regierung auf die Straße. In Brüssel verhandeln Regierung und Opposition inzwischen über einen Ausweg aus der Krise.