
Bild: Die Vorsteherin des Börsenvereins, Karin Schmidt-Friderich, und Amartya Sen bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 18. Oktober 2020 in der Frankfurter Paulskirche (© Tobias Bohm)
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist eng verbunden mit dem Lesen und dem Schreiben, was ihn für mich besonders attraktiv macht. Mein Leben wäre viel ärmer gewesen, wären meine Leidenschaft – von frühester Kindheit an – für das Lesen von allem, was mir in die Hände fiel, sowie mein Drang, die Gedanken, die mir in den Sinn kamen, niederzuschreiben, durch eine andere Tätigkeit verdrängt worden (selbst wenn sie noch so ansprechend gewesen wäre). Ich bin sehr glücklich, dass meine Gastgeber in der weiten Welt der Bücher eine kleine Ecke für mich gefunden haben.
Bücher zu lesen – und über sie zu sprechen – kann uns unterhalten, amüsieren, aufregen und unser Interesse für alle möglichen Dinge wecken. Bücher helfen uns auch, miteinander zu streiten. Und nichts ist meiner Meinung nach so wichtig wie die Möglichkeit, über Dinge zu streiten, bei denen wir möglicherweise uneins sind. Leider wird, wie Immanuel Kant bemerkte, die Möglichkeit zum Streit von der Gesellschaft oft – manchmal sehr massiv – eingeschränkt. Der große Denker hat das so formuliert: „Nun höre ich aber von allen Seiten rufen: räsonniert nicht! Der Offizier sagt: räsonniert nicht, sondern exerziert! Der Finanzrat: räsonniert nicht, sondern bezahlt! Der Geistliche: räsonniert nicht, sondern glaubt! […] Hier ist überall Einschränkung der Freiheit.“
Kant legte eingehend dar, warum es so wichtig ist, zu „räsonieren“.