Bild: Zohran Mamdani. Im Juni 2025 wurde er zum Kandidaten der Demokratischen Partei für das Bürgermeisteramt in New York bestimmt, 29.6.2025 (IMAGO / UPI Photo)
Es war nur eine Vorwahl, aber sie schlägt hohe Wellen in den USA. Die Wahl des Kandidaten für den New Yorker Bürgermeister war der erste größere Stimmungstest für die Demokraten nach dem Wahlsieg Donald Trumps – und offenbart die tiefen Gräben in der Partei. Denn der klare Sieger, Zohran Mamdani, wird nicht nur von Trump als „kommunistischer Irrer“ beschimpft, auch Teile der eigenen Partei wollen den erklärten „demokratischen Sozialisten“ bei der kommenden Wahl bisher nicht unterstützen.
New York City ist die größte Stadt der USA und eine Hochburg der Demokraten. Gleichwohl konnte Trump dort sein Ergebnis bei den Präsidentschaftswahlen seit 2016 von 17 Prozent über 23 Prozent in 2020 auf 30 Prozent im vergangenen Jahr stetig steigern. Auch der amtierende Bürgermeister, Eric Adams, ist inzwischen ein Trump-Verbündeter. Der Demokrat wurde unter anderem wegen Bestechlichkeit angeklagt. Nachdem er zusagte, Trump bei seiner Migrationspolitik zu unterstützen, ordnete das US-Justizministerium an, das Verfahren nicht weiter zu verfolgen. Adams will als unabhängiger Kandidat im November erneut Bürgermeister werden. Da aber seine Umfragewerte miserabel sind und auch dem republikanischen Kandidaten keine Chancen eingeräumt werden, schien klar, dass der Gewinner der demokratischen Vorwahl den Sieg bei der Wahl zum Bürgermeister so gut wie sicher hat.
Lange lag der ehemalige Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, in Umfragen klar vorne. Ende März kam er noch auf 38 Prozent. Dagegen lag Mamdani, ein 33-jähriger Abgeordneter des New Yorker Unterhauses, damals mit zehn Prozent weit dahinter. Er legte aber eine starke Aufholjagd hin und schlug den Kandidaten des Parteiestablishments am Ende deutlich. Dadurch geriet die Wahl auch zu einer Abstimmung über den Kurs der US-Demokraten mit bundesweiter Bedeutung. Denn unterschiedlicher könnten demokratische Politiker kaum sein.
Cuomo avancierte mit vierzig Jahren zum Bauminister im zweiten Kabinett von Bill Clinton und führte zehn Jahre lang als Gouverneur den Bundesstaat New York, genau wie sein Vater 30 Jahre zuvor. Cuomo steht aber nicht nur für die traditionellen Demokraten, sondern auch – ähnlich wie Adams – für schmutzige politische Tricks und Skandale. Während der Coronapandemie hatte Cuomo mit seinem Team die Zahl der Todesfälle in Altersheimen in einem Bericht der Gesundheitsbehörde manipuliert, um als erfolgreicher Pandemiemanager dazustehen. Im August 2021 kam die New Yorker Generalstaatsanwältin in einer Untersuchung zu dem Schluss, dass er in mindestens elf Fällen Frauen sexuell belästigt habe. Nachdem Präsident Joe Biden und andere Parteifreunde ihn zum Rücktritt aufforderten, legte er schließlich sein Amt nieder.
Dass er nun wieder eine prominente Rolle innerhalb der Demokratischen Partei anstrebt und dabei auch die Unterstützung von Politikern erhält, die ihn damals zum Rückzug drängten, ist an und für sich schon befremdlich. Zieht man dazu noch in Betracht, dass die Demokratische Partei noch keine überzeugende Antwort auf die MAGA-Bewegung und Trumps autoritäres Handeln gefunden hat, wirkt die Kandidatur des „Weiter so“-Zentristen Cuomo mindestens hilflos.
Dies umso mehr im Vergleich zu den progressiven Alternativen, die sich den Demokraten in New York boten. So trat neben Mamdani auch der Kämmerer der Stadt, Brad Lander, an. Beide machten aus ihrer Ablehnung Cuomos, und damit des Establishments der Demokratischen Partei, keinen Hehl. Um zu verhindern, dass Cuomo die Vorwahl gewinnt, riefen sie ihre Unterstützerinnen und Unterstützer dazu auf, auch den jeweils anderen zu wählen. Das ist möglich, da bei der Vorwahl bis zu fünf Kandidaten ausgewählt und nach Priorität auf dem Wahlzettel sortiert werden können. Dadurch wollten Mamdani und Lander sicherstellen, dass die Stimmen ihrer Unterstützer in jedem Fall dem am Ende relativ erfolgreicheren Kandidaten zukommen und in keinem Fall Cuomo. Diese Strategie ging auf. Mamdani erhielt bei den Erstplatzierungen sieben Prozentpunkte mehr als Cuomo und gewann letztlich mit zwölf Prozentpunkten Vorsprung.[1] Angesichts der ungleichen finanziellen Ausstattung[2], der Negativkampagne gegen Mamdani sowie der Unterstützung des demokratischen Establishments für Cuomo, ist der erdrutschartige Sieg Mamdanis ein bemerkenswerter Erfolg für die politische Linke, dessen Signalwirkung weit über die Grenzen New Yorks hinaus zu spüren ist. Während Trumps zweiter Wahlsieg weite Teile der Demokratischen Partei in die Orientierungslosigkeit stürzte[3], hatte Mamdani eine klare Strategie. Seine Kampagne war geprägt von einem Haustürwahlkampf und zehntausenden Freiwilligen, die ihre Kernbotschaften auf die ökonomischen Nöte der Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen fokussierten.
Für ein bezahlbares New York
Wie in vielen Großstädten ist das Leben in New York City vor allem für die Arbeiterklasse kaum noch bezahlbar. Mieten, Kinderbetreuung, Lebensmittel, Gesundheitsversorgung und Mobilität werden immer teurer, während die Löhne nicht Schritt halten. Die Hälfte der New Yorker gibt über 30 Prozent ihres Einkommens für Miete aus. Im Vergleich zur Zeit vor der Coronapandemie sind die Mieten um über 17 Prozent gestiegen, während das Lohnplus für die Einkommensgruppen von der oberen Mittelschicht bis zu den niedrigsten Einkommen im selben Zeitraum nicht einmal bei der Hälfte lag.
Mit einer klaren und direkten Ansprache, eindeutiger Problembenennung und ohne Scheu, sich mit den Reichen der Stadt anzulegen, bewirkte Mamdanis Kampagne eine beeindruckende Mobilisierung, gerade von Wählerinnen und Wählern, die bei den vergangenen Vorwahlen nicht abgestimmt hatten. Bei der Präsidentschaftswahl 2024 waren das Thema Inflation und damit verbunden die „affordability crisis“ gerade bei der ehemaligen Kernwählerschaft der Demokraten, der Arbeiterklasse, wahlentscheidend. Kamala Harris hatte es verpasst, eine überzeugende Antwort auf diese ökonomischen Nöte zu finden.[4] Mamdani setzte in seiner Kampagne genau darauf. Seine Vorhaben – von Mietenstopp über kostenlose Busse bis hin zu kostenloser Kinderbetreuung für unter Fünfjährige und stadteigenen Lebensmittelläden – will er mit einer Erhöhung der Einkommensteuer für Millionäre und höheren Unternehmenssteuern finanzieren.
Er verspricht also eine signifikante Verbesserung der Lebensrealität der Mehrheit in den Bereichen, die den meisten besonders wichtig sind, und zwar auf Kosten der Reichsten der Stadt. Klassischer kann ein demokratischer Sozialist kaum Wahlkampf machen. Umso frappierender ist es, dass das Establishment der Demokratischen Partei nach wie vor überrascht davon scheint, dass ein demokratischer Sozialist mit einer klaren Vision – Mamdani nimmt die Alltagsprobleme der Mehrheit in den Blick und verkörpert eine neue Generation Politiker – erfolgreicher ist als ein Zentrist, der für all das steht, was zum derzeitigen Zustand der US-Demokraten geführt hat.
Nach drei Präsidentschaftswahlen gegen Trump, von denen sie nur eine (knapp) gewann, und der voranschreitenden Zerstörung der Demokratie durch die MAGA-Bewegung ist das ein intellektueller, politstrategischer und realitätsverweigernder Offenbarungseid. Die Angst davor, sich mit den Reichen und Mächtigen anzulegen, scheint bezeichnenderweise größer zu sein als die Angst vor dem Trump-Faschismus.
Digital und aufrecht
Neben dieser inhaltlichen Positionierung gibt es noch mindestens drei weitere wesentliche Gründe für Mamdanis Wahlerfolg. Erstens hat er ein Profil, das sich nicht nur stark von dem seiner Gegenkandidaten unterscheidet, sondern mit dem sich auch viele New Yorker identifizieren können. Mamdani wurde in Uganda geboren und kam als Siebenjähriger mit seinen Eltern nach New York City. Er bekam erst 2018 die US-Staatsbürgerschaft und wäre der erste muslimische Bürgermeister New Yorks. All das macht ihn auch zur Zielscheibe Trumps und seiner Anhänger. Die fordern bereits, ihm die Staatsbürgerschaft abzuerkennen und ihn zu deportieren.
Damit wird Mamdani allerdings auch zum Hoffnungsträger all jener, die keine Prominenz haben und ganz real von Trumps Deportationen bedroht sind. In den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass die Angriffe der Trump-Regierung auf liberale Hochburgen wie Los Angeles und New York City immer härter werden. Während Mamdani Trumps „Border Czar“ Tom Homan direkt konfrontiert und sein Verbündeter Lander bei dem Versuch, einen Menschen vor der Deportation zu schützen, von vermummten ICE-Agenten festgenommen wurde, glauben einige moderate Demokraten, es sei mit langen Reden in klimatisierten Parlamentsgebäuden genug getan. Genau wie 2021, als Mamdani aus Solidarität mit streikenden Taxifahrern in den (letztendlich erfolgreichen) Hungerstreik trat, ist er bereit, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Eine Herangehensweise, die, gerade in der momentanen Phase des politischen Umbruchs in den USA, für viele Wähler eine attraktive Alternative zur Passivität der moderaten Demokraten ist.
Zweitens ist Mamdani ein charismatischer Redner, der sich vor allem in den Debatten im Vorfeld der demokratischen Vorwahl überdurchschnittlich gut schlug. Ausschnitte seines Schlagabtauschs mit Cuomo wurden millionenfach angesehen. Sein souveränes und authentisches Auftreten setzt er, drittens, mit Hilfe sozialer Medien nahezu perfekt ein. Vor allem in seinen vertikalen Videos zeigt sich, was für ein begabter politischer Kommunikator er ist. Auf Instagram hat er mehr als drei Millionen Follower und auf TikTok über eine Million. Seine Videos unterscheiden sich fundamental von den meist uninspirierten und langweiligen Social Media-Auftritten anderer Politiker. Ebenso geht er mit dem Design seiner Kampagne neue Wege.[5] Damit steht der 33-Jährige nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell und medial für einen gänzlich anderen Politikstil als der doppelt so alte Cuomo. Der hat bereits angekündigt, dass er jetzt, genau wie Adams, als unabhängiger Kandidat ins Rennen um das Rathaus gehen will. Der Milliardär und Trump-Unterstützer Bill Ackman hat Cuomo aufgefordert, auf eine Kandidatur zu verzichten und stattdessen Amtsinhaber Adams zu unterstützen. Offenbar laufen auch im Hintergrund schon Verhandlungen, um die Stimmen gegen Mamdani nicht aufzusplittern.
Vorbild über New York City hinaus?
Daher ist Mamdanis Sieg im November nicht so sicher, wie er nach dem Gewinn der demokratischen Vorwahlen in einer tiefblauen Stadt sein sollte. Der erbitterte Widerstand einer bestens vernetzten, mächtigen und mit nahezu unbegrenzten finanziellen Mitteln ausgestatteten Koalition, darunter auch viele Demokraten, ist Mamdani auf jeden Fall sicher. Der Grundsatz, sich angesichts der derzeitigen faschistischen Bedrohung hinter dem vielversprechendsten demokratischen Kandidaten zu vereinen, gilt offensichtlich nur für Kandidaten, die den Vorstellungen des Partei-Establishments entsprechen.
Dabei hieß es bisher „vote blue no matter who“. Doch die Losung galt offenbar nur, um das progressive Lager hinter Establishment-Kandidaten – wie etwa Clinton, Biden, Harris – still zu halten. Nun verweigern viele prominente (New Yorker) Demokraten Mamdani die Unterstützung. Sicher ist für Mamdani daher auch, dass er selbst im Falle eines Wahlsiegs mit Gegenwind aus Albany, der Hauptstadt des Bundesstaates, rechnen muss. Für seine steuerpolitischen Vorhaben ist er auf die Unterstützung seiner Parteikollegin und Gouverneurin von New York, Kathy Hochul, angewiesen. Sie hat bereits angekündigt, dass sie seine Vorhaben nicht unterstützt, und hat bisher auch nicht zu seiner Wahl aufgerufen.
Erst als Trump begann, gegen Mamdani zu polemisieren und gar drohte, ihm die Staatsbürgerschaft zu entziehen, solidarisierten sich auch Demokraten, die ihm bisher die Unterstützung verweigert hatten. „Es ist mir egal, ob Sie der Präsident der Vereinigten Staaten sind. Wenn Sie damit drohen, einen unserer Nachbarn illegal zu verfolgen, legen Sie sich mit 20 Millionen New Yorkern an – angefangen bei mir”, schrieb etwa die Gouverneurin Hochul auf X.
Bis zu einer gemeinsamen Strategie der Demokraten gegen Trump, die mehr denn je gefragt wäre, scheint es dennoch ein weiter Weg. Dabei ließe sich viel aus Mamdanis Erfolg lernen. Auch wenn sich sein Herangehen nicht unmittelbar auf die ganzen USA übertragen lässt – zumindest für andere linke Wahlkämpfe in Großstädten innerhalb und außerhalb der USA könnte seine Kampagne eine Blaupause sein. Insbesondere der Fokus auf Bezahlbarkeit, Mietenstopp, kostenlose Kinderbetreuung und kostenlose Busse sowie die Zuspitzung verteilungspolitischer Fragen und der Haustürwahlkampf durch zahlreiche Freiwillige könnten als Vorbild dienen.
In Deutschland gilt das besonders für die im Herbst 2026 anstehende Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin. Dass eine solche Strategie auch hierzulande erfolgreich sein kann, haben schon die Erfolge der Linkspartei bei der vergangenen Bundestagswahl gezeigt, ebenso wie die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ 2021. Ob die US-Demokraten aus Mamdanis Erfolg eine Lehre ziehen, ist dagegen völlig unklar.
[1] In dem mehrstufigen Verfahren wird in jeder Runde der Kandidat mit den wenigsten Erstplatzierungen gestrichen und auf den entsprechenden Wahlzetteln rücken die dahinter gesetzten Kandidaten vor. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind. In dieser letzten Auswertungsrunde hatte Mamdani 56 Prozent, Cuomo 44.
[2] Cuomo hatte schwerreiche Unterstützer. Sein „Super-PAC“ sammelte über 25 Mio. US-Dollar, unter anderem vom früheren New Yorker Bürgermeister und Milliardär Michael Bloomberg, dem Trump-Unterstützer Bill Ackman und Vermieterverbänden. Mamdanis externe Unterstützungsorganisation sammelte nicht einmal ein Zehntel dessen ein.
[3] Vgl. Lukas Hermsmeier, USA: Opposition ohne Strategie, in: „Blätter“, 5/2025, S. 37-40.
[4] Vgl. Jonas Becker, Kamala Harris: Mit links zur Präsidentin?, in: „Blätter“, 9/2024, S. 5-8.
[5] Christopher Bonanos, Zohran Mamdani‘s Campaign Logo Look Nothing Like a Campaign Logo, curbed.com, 25.6.2025.