Es war ein rührender, fast herzerweichender Auftritt, als sich Sebastian Kurz – der Lüge überführt – Ende des vergangenen Jahres aus der Politik verabschiedete. Durch die Geburt seines Kindes wenige Tage zuvor sei ihm noch einmal bewusst geworden, wie viele schöne und wichtige Dinge es außerhalb der Politik gebe: „Ich freue mich darauf, Zeit mit meinem Kind und der Familie zu verbringen. Ich werde es sehr genießen.“
Der familiäre Genuss war offensichtlich nicht von langer Dauer. Denn keine vier Wochen später verkündete der österreichische Ex-Kanzler, dass er als „Global Strategist“ bei „Thiel Capital“ anheuern werde. Dessen Eigentümer, der deutschstämmige Tech-Milliardär Peter Thiel, ist ganz zufällig einer der engsten Vertrauten Trumps. Offensichtlich wächst hier in Sachen Lüge zusammen, was zusammengehört.
Und da in Österreich weiter gegen Kurz wegen Bestechlichkeit und Untreue ermittelt wird, ist der Weg über den großen Teich ja auch ein bewährtes Mittel, um etwas Abstand zu der fatalen Sache herzustellen. Auch der bekannte Lügenbaron zu Guttenberg ging schließlich diesen Weg.
Umso mehr musste es überraschen, dass der Ex-Kanzler zugleich den Co-Vorsitz des Europäischen Rats für Toleranz und Versöhnung (ECTR) übernahm, der sich für das jüdische Leben in Europa, gegen Antisemitismus und gegen die Leugnung des Holocaust einsetzt. Kurz soll dort seine internationalen Kontakte einbringen.