Ausgabe September 2022

Abschied vom Kleinstaatenrealismus

Finnland und Schweden vor dem Nato-Beitritt

Sanna Marin (Ministerpräsidentin von Finnland), Bundeskanzler Olaf Scholz und Magdalena Andersson (Ministerpräsidentin von Schweden) bei der Klausurtagung der Bundesregierung im Gästehaus Schloss Meseberg, 3.5.2022 (IMAGO/Chris Emil Janßen)

Bild: Sanna Marin (Ministerpräsidentin von Finnland), Bundeskanzler Olaf Scholz und Magdalena Andersson (Ministerpräsidentin von Schweden) bei der Klausurtagung der Bundesregierung im Gästehaus Schloss Meseberg, 3.5.2022 (IMAGO/Chris Emil Janßen)

Finnland und Schweden haben nach Beginn des Ukraine-Krieges schnell ihre traditionellen sicherheitspolitischen Grundlinien geändert. Das konkrete Resultat dieser Veränderung ist, dass beide Länder im Mai die Mitgliedschaft in der Nato beantragten. Am 5. Juli unterzeichneten der finnische Außenminister Pekka Haavisto und seine schwedische Amtskollegin Ann Linde mit den Botschaftern der Nato-Staaten die Beitrittsprotokolle für die Aufnahme. Wie und warum es dazu gekommen ist, soll im Folgenden beleuchtet werden. Am Ende werde ich auch einige Überlegungen zu den allgemeineren europäischen Implikationen dieser Veränderung anstellen.

Als finnischer Politikwissenschaftler kenne ich die finnische Debatte viel detaillierter als die schwedische. Meine vergleichende Analyseperspektive ist deswegen nicht ganz vollständig, aber ich habe die schwedische Politik schon lange mit Interesse verfolgt, spreche die Sprache, und die zwei Veränderungsprozesse waren so eng miteinander verbunden, dass die finnischen Medien viel ausführlicher als normalerweise über die Entwicklungen in Schweden berichtet haben.

Ich gehe davon aus, dass die deutschsprachige Öffentlichkeit nur eine begrenzte Kenntnis von der finnischen und schwedischen Politik hat. Ich muss also einige allgemeine Fakten über die Geschichte des sicherheitspolitischen Denkens in diesen beiden Ländern erwähnen. Beginnen werde ich mit Finnland.

September 2022

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