
Bild: Sinnbildlich: Der Rückzug der USA aus Europa. Aufgenommen bei der Nato-Konferenz am 12.7.2018 in Brüssel (IMAGO / Pond5 Images)
Angesichts des Rückzugs der USA aus Europa plädierten in den vergangenen Ausgaben diverse Autoren für die militärische Stärkung Deutschlands wie der EU gegen das expansive, revisionistische Russland unter Putin. Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick hinterfragt dagegen die dieser Position zugrundeliegende Bedrohungsanalyse.
Die Außenpolitik der USA war oft umstritten und angreifbar – als Beispiele seien nur der Vietnam- oder der Irak-Krieg genannt –, das westliche Lager sah die Rolle der USA gleichwohl als zentral für die Wahrung der nationalen Sicherheit aller. Aber die „guten alten Zeiten“ im transatlantischen Verhältnis sind wohl unwiderruflich vorbei. Die US-amerikanische Sicherheitsgarantie für Europa und die Verlässlichkeit der Nato haben sich in Luft aufgelöst, das politische System der USA degeneriert, und dies führt im besten Fall zu Selbstbeschäftigung und Lähmung, im schlimmeren Fall zu Chaos. Die ehemaligen Transatlantiker sind verstimmt – sie sehen die USA nicht länger als Freund oder Verbündeten, die USA hätten sich gar von einer Schutzmacht zum Sicherheitsrisiko entwickelt. Der US-Politologe Robert Kagan spricht sogar von einer „schurkischen Supermacht“. Selbst wenn das übertrieben erscheint: Europa muss sich fragen, ob es sich weiter so eng an eine unberechenbare Supermacht binden will – oder ob es einen eigenen Weg einschlägt.
Die strategischen Rahmenbedingungen dafür sind anspruchsvoll.