Ausgabe August 2012

Das Europa von heute und die Wirklichkeit von morgen

Zur Verteidigung der Utopie

Mit Verblüffung muss man heute feststellen, wie viel intellektuelle Energie auf Europadiskurse gelenkt wird, die selbst in ihrer radikalsten und kritischsten Position vollkommen dem Bannkreis des Geldes und der politischen Institutionen verhaftet bleiben. Manchmal könnte man auf den Gedanken kommen, dass die öffentlich definierte Realitätsmacht der vorherrschenden Wirklichkeit nicht nur die Gedanken erfasst, sondern auch die Denkstrukturen. Das ist umso erstaunlicher, als gerade in den vergangenen Jahren weltweite Protestbewegungen hörbar und sichtbar gemacht haben, dass die auf unterschlagenen Wirklichkeiten und von oben inszenierten demokratischen Legitimationen beruhenden Herrschaftssysteme brüchig sind und zu Fall gebracht werden könnten.

Was in Europa und den USA einen neuen kollektiven Lernprozess einleiten könnte, ist die massenhafte Erfahrung, dass es die Realpolitiker in allen Machtzentren der Gesellschaft, den Banken ebenso wie den Regierungen, gewesen sind, die eine hochentwickelte Gesellschaftsordnung an den Rand der Katastrophe getrieben haben – nicht die Utopisten, nicht die mit dem Vorwurf der Realitätsferne geschlagenen Konstrukteure einer besseren Welt.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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