(Wortlaut)
Wir sind das Volk: Was für ein Volk?
Gorbatschows neue Politik hat die Nachkriegswelt endlich in Bewegung geraten lassen. Tiefgreifende Veränderungen bei den europäischen Nachbarvölkern konnten letztlich auch das geteilte Deutschland nicht unerschüttert lassen. Wir sind das Volk! Das war die unüberhörbare Forderung nach einer neuen demokratischen und humanen Qualität des politischen Gemeinwesens der Deutschen. Rasch hieß es dann: Wir sind ein Volk! Der geschichtliche Umbruch in Europa hätte auch kaum die Deutschen mit ergreifen können, ohne daß dabei ihr Wunsch nach nationaler Einheit auf die Tagesordnung gekommen wäre.
Aber mit der Verwirklichung der politischen Einheit unter dem Dach einer parlamentarisch-demokratischen Verfassung ist die Forderung nach einer neuen Qualität der gesellschaftlichen Ordnung und der politischen Kultur ja nicht erledigt. Konservative Politik begünstigt allerdings diesen Irrtum.
So wurde denn auch die "historische Stunde" in einem vordergründig-nationalen Sinne oft so eilfertig beschworen, als ob es gelte, die Deutschen von tieferem Nachdenken über die Chancen und die Gefahren dieses geschichtlichen Einschnittes abzuhalten. Wir sind das Volk, wir sind ein Volk: Was für ein Volk ist es denn, das sich da so selbstbewußt als politische Einheit neu zu Wort melden möchte? Je hastiger die Politik Fakten schafft, desto dringender muß darüber gesprochen werden: Was für ein Volk sind wir, waren wir, gedenken wir vor allem in Zukunft zu sein? Antwort auf diese Frage sind wir den Völkern der nahen und der fernen Welt ebenso schuldig wie uns selber. Jetzt besteht die Chance, zu entscheiden, welchen Kräften wir künftig erlauben wollen, diese Antwort zu geben. Jetzt ist die Zeit zur Rechenschaft über vergangene und zukünftige Wege, zur Erweiterung des Horizonts weit über obsolet gewordene nationale Vorstellungen hinaus, zur Wiederentdeckung freiheitlich-humaner Traditionen in unserer Geschichte, zur Absage an alte deutsche Unarten, zur entschiedenen Neuorientierung.
Denk' ich an Deutschland in der Nacht...
Als nach dem Krieg die Rivalität der Siegermachte immer klarer erkennen ließ, daß Deutschland in zwei Staaten auseinandergeschnitten werden sollte, gehörte Pastor D. Martin Niemöller zu denen, die entschieden gegen diese Tendenz Stellung bezogen. Er tat dies keineswegs in der Vorstellung, das "alte" Deutschland müsse erhalten bleiben oder wiederhergestellt werden. Niemöller suchte mit seinem offensiven Eintreten für die Stuttgarter Schulderklärung von 1945 und mit dem "Wir sind in die Irre gegangen" des Darmstädter Wortes von 1947 das Bewußtsein für einen ganz neuen Anfang zu wecken. Sein Widerstand gegen den Abmarsch der Deutschen in die Zweistaatlichkeit gründete in der Befürchtung, daß er die Chance für einen solchen Neubeginn zunichte machen könnte.
Tatsächlich hat der Kalte Krieg die beiden deutschen Staaten zu Hauptverbündeten der verfeindeten Führungsmächte gemacht, und damit war eine große Chance vertan.
Denn die Einordnung in die machtpolitischen Erwartungen der Großen wirkte sich angesichts der gravierenden gesellschaftspolitischen Unterschiede zwar sehr verschieden aus, aber in der nun einmal gegebenen Abhängigkeit entwickelten beide deutsche Staaten je ihre besondere Art des Umgangs mit den Waffen des Kalten Krieges: Unduldsame Abgrenzung, Feindbildpflege, Unterwanderungsangst, Gesinnungskontrolle. Das wiederum begünstigte den unguten Teil deutscher Traditionen wie Anpassung, Autoritätshörigkeit, Selbstgerechtigkeit und Militarisierung des Denkens.
Dagegen hatten die Traditionen des "anderen Deutschland" - demokratisches Aufbegehren, soziales Empfinden, rechtsstaatliches Denken, der Wille zur Toleranz und zur Friedenswahrung - sich entweder mühsam zu behaupten oder der Übermacht diktatorischer Willkür zu weichen. Totzukriegen waren sie aber nicht, das haben in den vergangenen Jahrzehnten unzählige Initiativen und Demonstrationen bewiesen, oft angeregt oder unterstützt durch Martin Niemöller, vor allem aber die mit so großem persönlichen Risiko verbundene Bewegung auf den Straßen der DDR im Herbst 1989, schließlich auch die Diskussionen am Runden Tisch. Darin kann heute eine Chance für das andere Deutschland liegen.
Das andere Deutschland soll es sein
Auch das andere Deutschland hat seine Traditionen. Sie bieten sich uns zum Erbe an - nicht aber gleichzeitig mit nationaler Arroganz, chauvinistischer Engstirnigkeit und sozialer Ungerechtigkeit. Zur Tradition des anderen Deutschland dürfen wir die freiheitsbewußten Zeugnisse eines Wilhelm von Humboldt, die Plädoyers für den Frieden von Kant über Herder bis Berta von Suttner, die Einsichten und Mahnungen von Goethe, Virchow, Einstein und Thomas Mann rechnen. Die dunklen Zeiten deutscher Geschichte haben viele Männer und Frauen zu Opfern der Willkür und der Verachtung werden lassen, deren Namen wir dazu rechnen.
Menschen wie Büchner, Marx und Heine opferten ihre Heimat, andere wie Rosa Luxemburg und Carl von Ossietzky ihr Leben. Der Tod von Millionen weiterer, oft namenloser Menschen in den Konzentrationslagern hat nach dem Willen deutscher Machthaber - die von zu vielen Deutschen als Träger einer "Nationalen Erhebung" gefeiert worden waren - das Schicksal des anderen Deutschland für alle Zeiten besiegeln sollen. Auch ihr Gedenken gehört zu dem Erbe, das wir antreten wollen. Dazu gehört aber der entschiedene Wille, die jetzt für die Deutschen gebotene Chance nicht zu versäumen und jeden Rückfall in nationalistische Selbstgerechtigkeit abzuwehren.
Denn in den Turbulenzen der letzten Monate haben sich bei uns nicht nur solche Stimmen zu Wort gemeldet, aus denen das gute, humane Erbe unserer deutschen Geschichte sprach. Vielmehr konnte der Eindruck entstehen, das vieles von dem gerade jetzt wieder ans Licht drängen möchte, das andere sich vor uns Deutschen fürchten ließ und - wenn nicht alles täuscht - wieder fürchten läßt. Kritischen Anfragen an die Ordnung der Dinge, wie sie nun im neuen vereinten Staatswesen gelten werden - an die vorgeblich allheilsamen Kräfte des Marktes, an die Unübertrefflichkeit der gegebenen bundesdeutschen Verfassung - ist auf öffentlichen Veranstaltungen blanker Haß als Ausdruck der Mehrheitsmeinung entgegengeschlagen. Der Runde Tisch ist so gut wie vergessen. Anstelle einer gründlichen und selbstkritischen Besinnung darauf, mit was für einem Deutschland von nun an zu rechnen sein soll, erlebte die Welt ein unwürdiges Gezänk um Parteienvorteile
. Es kann nicht verwundern, wenn unter diesem Eindruck manche heute meinen, für das andere Deutschland sei die Chance zum Neuanfang schon wieder verpaßt. Wir wollen uns diesem Eindruck nicht hingeben. Wir wollen mit der Unverdrossenheit des Mannes, auf dessen Namen sich die Martin-Niemöller-Stiftung beruft, gerade jetzt für eine Gesellschaft eintreten, die ihr Selbstbewußtsein nicht aus Triumphen über andere bezieht. Wir wollen uns dafür einsetzen, daß das humanistisch-freiheitliche, das sozialbewußte und demokratische Erbe unserer Geschichte zum Tragen kommt, wenn ein neuer Abschnitt dieser Geschichte beginnen soll. Wir wollen helfen, im Verständigungsdialog die Grenzen und Ausgrenzungen zu überwinden, die der Entwicklung zu einer wahrhaft humanen Gesellschaft noch immer im Wege stehen.
Geschichtliche Erfahrung verarbeiten
Wir müssen sehen: Es genügt nicht, sich eine demokratische Verfassung verschreiben zu lassen. Die Weimarer Republik scheiterte am Fehlen eines breiten demokratischen Bewußtseins, am Mangel an Demokraten. Eine Verfassung - der Name sagt es - ist immer nur soviel wert, wie sie die tatsächliche Verfassung, in der ein Gemeinwesen sich befindet, zum Ausdruck bringt. Eine demokratische Verfassung muß getragen werden von einer breiten Diskussion unter engagierten Bürgerinnen und Bürgern, von demokratischem Verhalten im menschlichen und politischen Alltag, von Zivilcourage und Widerspruch, Toleranz gegen Minderheiten und kritischer Mitarbeit bei der Schaffung von Mehrheiten. Dies gilt bereits für den Prozeß des Entstehens von Verfassungsregeln für eine humane und rechtsstaatliche, sozial gerechte und friedensfördernde Ordnung der Gesellschaft. Wir müssen sehen: Der Widerstand gegen das Naziregime war zu gering und kam zu spät.
Die Männer und Frauen, die Unrecht aufdeckten, sich der Gewalt verweigerten, das Mitläufertum verwarfen, waren in der Minderheit. Zu ihrem Erbe gehört die Einsicht, daß Widerstand gegen Unrecht und Gewalt, auch Widerspruch gegen die Auslieferung von Grundsätzen einer humanen Politik an nationale oder ökonomische Interessen, früher geübt und beherzter praktiziert werden muß. Wir müssen sehen: Die Neigung zur Anpassung an die Erwartungen mächtiger Personen oder Institutionen, die Abneigung gegen "Artfremdes" (Antisemitismus, "völkische" Einstellung), der Hang zum Militarismus und die Unterwerfungsbereitschaft gegenüber der "Obrigkeit" waren keine Erfindung der nationalsozialistischen Gewalthaber. Sie fanden sie vor, sie brauchten sie nur auf bestimmte Feindbilder (Juden, Bolschewisten, oppositionelle Volksfeinde) ausrichten und bewaffnen. Solche Einstellungen sind nicht mit den Machthabern aus Deutschland verschwunden. Sie lassen sich auf neue Feindbilder (Ausländer, Asylanten) ausrichten und können vor allem in Krisen zu neuem Leben erwachen. Sie dürfen nicht erst dann bekämpft werden. Wir müssen sehen: Mitläufer sind Mittäter.
Aber nicht nur einzelne Menschen sind auf diese Weise mitschuldig geworden an Unrecht und Gewalt. Vielmehr haben ganze Institutionen wie Kirchen, Justiz, Wissenschaft, Verwaltung, Militär, Industrie, Medien und Vereine sich geweigert, zu widerstehen und für Verfolgte und Unterdrückte Partei zu ergreifen.
So ließen sie die Einzelnen ohne moralischen Rückhalt und ohne Entscheidungshilfe allein gegenüber der Maschinerie von Macht und Gewalt. Daraus müssen Institutionen und Verbände heute die Lehre ziehen und ihre Rolle in den politischen und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen neu bestimmen. Wir müssen sehen: Auch beim Neubeginn nach 1945 sind Ansätze für "ein anderes Deutschland" nicht klar und konsequent genug aufgenommen worden. Mahnende und warnende Stimmen wie die von Martin Niemöller und Gustav Heinemann wurden überhört, oder sie wurden durch den vermeintlichen Primat wirtschaftlicher und militärischer Sicherung verdrängt. Auch die deutsche Teilung wurde nicht nur von außen aufgezwungen, sondern durch widerspruchsloses Einschwenken in die Frontbildung des Kalten Krieges gefördert. Die religiöse Überhöhung des Gegensatzes - christliches Abendland gegen bolschewistische Bedrohung - schloß lange Zeit jede Verständigung aus.
So ist jetzt nicht Selbstzufriedenheit und Rechtbehaltenhaben, sondern Besinnung auf eigene Mitverantwortung und Mitschuld geboten.
Gegen die neuen Irrwege
Die antidemokratischen Systeme staatlicher Verwaltungswirtschaft, die sich selbst irreführend als "sozialistisch" bezeichneten und tatsächlich Freiheit und Lebensfreude ihrer Bürgerinnen und Bürger zerstörten, sind überall zusammengebrochen. Die Erfahrungen ihrer Opfer werden Wiederbelebungsversuche erfolglos bleiben lassen. Als Alternative bietet sich diesen Ländern die erfolgreich erscheinende marktwirtschaftliche Ordnung der westlichen Wohlstandsgesellschaft an, verbunden mit parlamentarisch-demokratischer Organisation der Politik. Für die Menschen der ehemaligen DDR ist diese Frage durch den Beitritt zum Grundgesetz der Bundesrepublik - anscheinend zweifelsfrei - erledigt.
Zweifelsfrei: Das begünstigt in Politik und Wirtschaft diejenigen Kräfte, die die Unfehlbarkeit der Marktwirtschaft in jeder Hinsicht als unanfechtbaren Glaubenssatz proklamieren, ihre Heilungskräfte für die Lösung aller möglichen sozialen Probleme beschwören, ihre schlimmen Fehlentwicklungen ableugnen oder als "Preis der Freiheit" verteidigen und jede Art von Kapitalismuskritik als "sozialistische", also verbotene Majestätsbeleidigung mit Zornausbrüchen beantworten. Wir widersprechen solcher Tabu-Erklärung. Andernfalls würden wir uns mitschuldig machen an der Unterdrückung jeder vernünftigen Diskussion über eine Ordnung, die doch nichts weiter zu sein hat als ein Instrument. Dessen Tauglichkeit im Rahmen einer humanen, sozial gerechten, den Frieden fördernden, die natürlichen Lebensbedingungen schützenden, also in politischer und moralischer Hinsicht zu rechtfertigenden Entwicklung muß jederzeit überprüfbar bleiben.
Wir müssen sehen: Soziale Gerechtigkeit stellt sich nicht als Folge der Marktwirtschaft samt ihrer sogenannten Selbstheilungskräfte ein. Sie muß vielmehr dem Marktgeschehen mit seiner Eigengesetzlichkeit, seinen Wendungen und Verwerfungen immer wieder erneut abgerungen werden. Dieser ständige Kampf erfordert starke demokratisch-politische Kräfte, die sich durch wirtschaftliche Macht nicht korrumpieren lassen dürfen.
Wir müssen sehen: Mit dem Anspruch freier unternehmerischer Entfaltung hat eine erschreckende Zahl westdeutscher Firmen durch Lieferung todbringenden Materials an gewaltbereite Diktatoren enorme profitbringende Geschäfte machen können. Solchen bedenkenlosen Geschäften mit dem Tod steht nur ein kümmerliches Genehmigungswesen gegenüber, dem unter der Ideologie einer eingriffsfreien Wirtschaft die eigene Existenzberechtigung mehr zu schaffen machen muß als die Feststellung des kriminellen Charakters unternehmerischen Handelns.
Wir müssen sehen: Die Teilnahme am Wettbewerb im weltweiten Waffenhandel ohne Rücksicht auf die Folgen gereicht keiner Nation wirklich zu Ehre, wir Deutschen sollten aus unserer eigenen Geschichte zusätzliche Gründe zu radikaler Selbstbeschränkung auf diesem Gebiet sehen. Es genügt nicht, daß wir auf die willkommene Aufhebung der Ost-West-Kontroverse mit Abrüstungsschriften reagieren, wenn wir dafür "um der Arbeitsplätze willen" das Geschäft mit dem Tode nach außen in Gang halten.
Wir müssen sehen: Wenn wir weiterhin dem Marktgrundsatz ungehemmten Wachstums folgen sollen, beschleunigen wir eine katastrophale Entwicklung. Denn in Wirklichkeit sind die Grenzen des Wachstums auf vielen Gebieten bereits überschritten. Sie sind es im Bereich der Industrienationen, wenn wir nicht die gegenwärtige Nachfrage, sondern die Lebensinteressen unserer Nachkommen in Rechnung setzen. Sie sind es noch deutlicher im Weltmaßstab, weil die bei den Industrienationen vorhandene Autodichte, ihr Verbrauch an Energie und Chemie, ihre Belastung der Umwelt unmöglich auf die anderen Länder der Welt übertragen werden können: Dazu würden weder die Rohstoffressourcen ausreichen, noch würden Erde, Luft und Wasser eine solche Belastung ertragen.
Wir müssen sehen: Die freiwirtschaftliche Beherrschung der Weltmärkte hat auch mit entwicklungspolitischer Nachbesserung nur ein ständig weiter wachsendes Klaffen der "Schere" zwischen Wohlstand im Norden und Armut im Süden der Welt zur Folge. Die zunehmende Not und der zunehmende Zorn der Armen wird es nicht noch weitere Generationen lang hinnehmen, daß die Ressourcen der Länder des Südens ausgebeutet und die Menschen in ihrer Würde beschädigt werden, um den Bedürfnissen des Nordens zu dienen.
Wir müssen sehen: Die Konzentration ökonomischer, meinungsbildender und politischer Macht, gesichert durch die Verfestigung technokratischer Apparaturen, wird zunehmend zum Problem der parlamentarischen Systeme. Diese Entwicklung verlangt zwingend, daß die Quellen jeder Demokratie da, wo ihre Menschen leben und arbeiten, an ihrer Basis also, neu entdeckt und belebt werden. Die Art, wie bisher der Prozeß des Zusammenwachsens der beiden Teile Deutschlands wahrgenommen und gesteuert wurde, hat die endlich freiwerdenden Kräfte basisdemokratischer Willensbildung nicht gefördert, sondern mißbräuchlich umgelenkt. Unsere Selbstachtung als Deutsche gebietet es, daß es nicht bei dieser Fehlsteuerung des Vereinigungsvorgangs bleibt, daß vielmehr eine echte Verfassungsdiskussion zu einer demokratischen Kursänderung führt.
Wir sind das Volk: Die mit diesem Ruf erhobene Forderung wartet noch auf ihre Erfüllung. Wir müssen sehen: Unsere Verantwortung ist unteilbar. Der Versuch, Verantwortungs- und Gesinnungsethik einander entgegenzusetzen, führt zu verhängnisvollen Folgen. Es gilt, das Mißverständnis auszuräumen, als erschöpfe sich politische Verantwortung im Erkennen und Durchsetzen des eben Machbaren, während der Ruf nach Humanität, Solidarität, nach Vollendung der Aufklärung und nach demokratisch-sozialer Emanzipation in den Bereich zwar respektabler, aber öffentlich bedeutungsloser privater Gesinnung gehört. Die Vereinbarkeit von Macht, Moral und Geist darf nicht als Hirngespinst abgetan werden, wenn es zu einer neuen Grundlegung deutscher Politik in der Welt kommen soll.
Es ist nicht aussichtslos
"... Und doch wird mich nichts davon überzeugen, daß es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Laßt uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde..." Das stammt von Bert Brecht. Auch dies gilt für das andere Deutschland. Wir haben keinen Grund, uns jetzt in Resignation abdrängen zu lassen. Bei vielen zeigt sich über alle Meinungsunterschiede hinweg der gemeinsame Wille zu einem anderen Deutschland. Produktive Phantasie und Entschlußkraft, Ausdauer und Zuversicht werden gebraucht, sind aber auch da. Sie werden die Chancen dafür eröffnen. Wir haben gesehen: Die an der Ausübung politischer Macht beteiligt sind, werden allein diesen Weg nicht betreten können. Die neue Demokratie im geeinten Deutschland braucht überzeugende Zeichen dafür, daß die Menschen sich nicht mehr als Objekte einer veraltenden Politik in Anspruch nehmen lassen, sondern daß sie mit verwirklichen wollen, was dem Frieden dient und der Gerechtigkeit und der Freiheit.