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Am 7. Dezember 1988 sprach Michail Gorbatschow das erste Mal vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen: "Das Leben zwingt uns, gewohnte Stereotype, veraltete Anschauungen abzuwerfen und sich von Illusionen zu befreien. Selbst die Vorstellungen über den Charakter und die Kriterien des Fortschritts ändern sich. Es wäre naiv zu glauben, daß die Probleme, die die Menschheit heute quälen, mit Mitteln und Methoden gelöst werden können, die früher angewendet oder als tauglich betrachtet wurden. Ja, die Menschheit hat einen Schatz an Erfahrungen in der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unter unterschiedlichsten Bedingungen gesammelt.
Doch diese Erfahrungen stammen aus Praxis und Antlitz einer Welt, die bereits Vergangenheit ist oder wird." 1) Die beiden folgenden Jahre 1989/90 haben die Welt gründlich umgekrempelt. Die Konfrontation der "Systeme" ging mit dem demokratischen Aufbruch in Osteuropa zu Ende. Eine Konfliktkonstellation verschwand, die Denken und Handeln von mehreren hundert Millionen Menschen über mehr als vierzig Jahre hinweg geprägt und belastet hatte. Europa traf Abrüstungsvereinbarungen, verständigte sich in der Pariser Charta auf innergesellschaftliche und zwischenstaatliche Umgangsformen.