Ausgabe Oktober 1991

Konservatismus in Rußland heute

I

Der neobolschewistische Putschversuch ließ den Traum von Perestroika im ursprünglichen Sinne platzen. "Wir werden uns weiter auf einen besseren Sozialismus zu bewegen und nicht von ihm weg..."1), so Gorbatschow 1987. Das Wesen der Perestroika kennzeichnete er damals als Verknüpfung von Sozialismus und Demokratie durch Rückbesinnung auf Leninsche Prinzipien. Als Garanten dafür sah er eine reformierte KPdSU. Glasnost und Demokratisierung sollten den Weg in eine neue Zukunft weisen. Der Versuch, das verknöcherte autoritäre System in eine pluralistische, marktwirtschaftlich orientierte soziale Ordnung umzugestalten, kam der Quadratur des Kreises nahe. Die Instrumente aus totalitären Zeiten versagten. Ihre Anwender, einst Apologeten des "Entwickelten Sozialismus", suchten das Heil entweder in einer Roßkur nach dem Muster des einstigen "Klassenfeindes" oder meinten, das System im orthodoxen Sinne nur von "Deformationen" reinigen zu müssen. Der Parteimonolith bekam Risse. Der zunehmende Verfall autoritärer Strukturen setzte soziale Kräfte frei, die zum einen auf Radikalreformen in Richtung einer Marktwirtschaft bzw. einer halbkapitalistischen Mischwirtschaft orientierten oder, zum anderen, die Reanimation sozialistischer oder vorrevolutionärer Verhältnisse anstrebten.

Oktober 1991

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Januar 2026

In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Ukraine: Zwischen Korruption und Diktatfrieden

von Yelizaveta Landenberger

Anfang Dezember herrschte rege Pendeldiplomatie, während die Bombardierung ukrainischer Städte und die russischen Vorstöße an der Front unvermindert weitergingen. Völlig unklar ist, ob der im November bekannt gewordene US-»Friedensplan« auch nur zu einem Waffenstillstand führen kann.

Vom Einsturz zum Aufbruch: Die Protestbewegung in Serbien

von Krsto Lazarević

Rund 110 000 Menschen füllen am 1. November die Fläche vor dem Hauptbahnhof in Novi Sad, um der Opfer zu gedenken, die ein Jahr zuvor unter dem einstürzenden Vordach starben. Für die seit Monaten Protestierenden steht der Einsturz nicht für ein bauliches, sondern für ein politisches und gesellschaftliches Versagen: ein sichtbares Symbol für Korruption und ein zunehmend autokratisches System.

Der Kampf um Grönland: Versöhnung als Geopolitik

von Ebbe Volquardsen

Die Stadt Karlsruhe könnte schon bald vor einem Dilemma stehen. Im Januar 2025 zeichnete sie ihren langjährigen Stadtvertreter Tom Høyem (FDP) mit der Ehrenmedaille aus. In den 1980er Jahren war der gebürtige Däne, mittlerweile auch deutscher Staatsbürger, Dänemarks letzter Minister für Grönland – ein Amt aus der Kolonialzeit.