Großbritanniens Arbeiterpartei auf dem Rückweg zur Regierungsfähigkeit
In keinem anderen Land Westeuropas besitzt die Regierung so weitreichende Möglichkeiten, ihr politisches Programm ungehemmt von Mitspracherechten der Opposition oder anderen institutionellen Schranken der Mehrheitsherrschaft umzusetzen, wie in Großbritannien. Der Idee nach wird dies dadurch ausgeglichen, daß die regierende Partei ihre Position nach einer gewissen Zeit mit der Rolle der Opposition vertauscht und diese darin das Recht erhält, ihre politischen Zielvorstellungen zu verwirklichen. Die Opposition wird in diesem System traditionell auch als "Schattenregierung" oder "Alternativregierung im Wartestand" bezeichnet. In der politischen Praxis Großbritanniens lassen sich signifikante Abweichungen von dieser modellhaften Vorstellung allerdings kaum übersehen. Ein echtes Machtgleichgewicht zwischen den beiden größten Parteien des Landes - der Conservative Party und der Labour Party - hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht eingestellt.
Im Zeitraum von 1945 bis 1994 hat es nur rund 17 Jahre lang Labour-Regierungen gegeben, von denen zudem nicht einmal sämtliche über eine solide Mehrheit an Mandaten verfügten. Besonders kritisch muß in diesem Zusammenhang jedoch der Blick auf die letzten eineinhalb Jahrzehnte britischer Politik stimmen, in denen es der Opposition bei vier aufeinanderfolgenden Wahlen nicht gelang, einen Machtwechsel herbeizuführen.