Ausgabe März 1996

Lübeck und die Medien

Am Freitag nach der Trauerfeier stand es in den Zeitungen: Der Brand in der Lübecker Asylunterkunft sei nun endgültig auf Brandstiftung innerhalb des Hauses zurückzuführen. Eines der überlebenden Opfer des Brandanschlages sei der Täter: ein 21jährige Libanese. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den Labors von Bundes- und Landeskriminalamt.

Doch die zehn Toten und 35 Verletzten von Lübeck wollen uns immer noch nicht in Ruhe lassen. Vielleicht wird demnächst endlich Schluß sein, werden wir und auch die Opfer endlich wieder unseren Frieden finden - wenn die Völkerkundler des "Stern" mit ihrer ebenfalls wissenschaftlichen Prognose über den schwarzen Mann, der seine Frau in den Flammen verlor, recht haben. Der "Stern": "Nach 40 Tagen ist die Trauerzeit vorbei.

Dann wird ihm ein Witwer nach alter Bantu-Tradition ein Stück Seife geben und sagen: 'Geh dich waschen!' So soll das Unglück fortfließen von JeanClaude Makodila." Derselbe "Stern" hatte sich - zu Recht - über den NDR-Reporter mokiert, der da fragte: "Können Sie mir auf deutsch sagen, wie es Ihnen jetzt geht?" Und über die Dolmetscherin, die dafür diese Sprache fand: "Kannst du fühlen, was es bedeutet, Frau und Kind verloren?" Lübeck und die Medien.

März 1996

Sie haben etwa 15% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 85% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Der Preis der Freiheit: Politische Gefangene in Belarus

von Olga Bubich

Es war eine große Überraschung für weite Teile der internationalen Gemeinschaft: Am 21. Juni ließ das belarussische Regime 14 politische Gefangene frei. Unter ihnen befand sich Siarhei Tsikhanouski, der 2020 verhaftet wurde, um seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen zu verhindern.