Anfang des Jahres wechselte der russische Präsident die Pferde. Anatoli Tschubajs, ehemaliger Beauftragter für Privatisierung, später Leiter des Präsidialamtes, wurde erster stellvertretender Ministerpräsident. Mit ihm rückte sein Leningrader Kommando auf vordere Positionen. Hinzu kamen Boris Nemzow, zuvor Gouverneur in Nischninowgorod, und Oleg Susujew, davor Bürgermeister von Samara. Die neue Mannschaft ist im Schnitt um die Hälfte jünger als der alternde Präsident. Sie kündigte eine zweite Phase der Privatisierung, einen neuen Reformschub, das Ende des wilden Kapitalismus an. Die zurückliegende Privatisierung umfaßte bereits vier Schübe: Erstens die "wilde Privatisierung" von 1989 bis 1991, die sich vor Beginn der gesetzlichen vollzog; zweitens die "kleine Privatisierung" ab Dezember 1991 bis Ende 1993, mit der die gesetzliche begann sie betraf vor allem kleinere und mittlere Betriebe und Dienstleistungsgewerbe; drittens die "Voucher"-Privatisierung von Ende 1992 bis Mitte 1994 - sie war als Volksprivatisierung deklariert, welche das nationale Vermögen in die Hände der Bevölkerung überführen sollte; viertens "Geld-Privatisierung" ab Juli 1994, die der Konzentration von verstreuten Aktienanteilen zu entscheidungsfähigen Mehrheitspaketen dienen sollte.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.