Ausgabe Februar 1997

Bonn/Prag: Geschichte nach Maß

Nicht ohne Stolz präsentierte Klaus Kinkel bei der Paraphierung in Prag die deutsch-tschechische Erklärung der Öffentlichkeit als Ergebnis zäher, achtzehn Monate dauernder Verhandlungen (Wortlaut siehe Dokumententeil im vorliegenden Heft). Er vergaß allerdings anzumerken, daß es nicht so sehr die Belastungen der deutschtschechischen Vergangenheit als innenpolitische Probleme waren, vor allem die unklare Haltung der Bundesregierung gegenüber der Sudetendeutschen Landsmannschaft mit ihren CSU-Wählerpotentialen, die diese Verhandlungen so schwierig und kompliziert machten. Tatsächlich konnte man mitunter den Eindruck gewinnen, daß die Bundesregierung sich die Positionen der Landsmannschaft, die in ihrem Kern auf eine Relativierung, wenn nicht eine Revision der europäischen Nachkriegsordnung hinauslaufen und den Rahmen der "normalen" Bonner Politik weit sprengen, zu eigen machte, bis hin zu dem durch Außenminister Klaus Kinkel geäußerten Zweifel an der Verbindlichkeit des Potsdamer Abkommens für die Bundesrepublik.

Man muß sich schon, wenn man den Verhandlungsverlauf zurückverfolgt, die Frage stellen, was für eine Erklärung wohl zustande gekommen wäre, wenn die tschechische Seite dem zeitweise massiven deutschen Druck nachgegeben und nicht so viel Stehvermögen, Zähigkeit und Verhandlungsgeschick an den Tag gelegt hätte.

Februar 1997

Sie haben etwa 8% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 92% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema