Das Spannungsfeld von Konkurrenz und Solidarität markiert seit jeher den Handlungsrahmen gewerkschaftlicher Tarifpolitik. S o l i d a r i t ä t bedeutet dabei nicht allein die Durchsetzung eines "moralischen Postulates" sondern steht vielmehr für die originäre Funktionsbestimmung von Gewerkschaften, die K o n k u r r e n z der einzelnen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu begrenzen und durch einen bewußten politischen Eingriff in Form kollektiver Regelungen elementare Lohn- und Arbeitsbedingungen dem Marktmechanismus zu entziehen. Historisch hat sich der moderne Nationalstaat als zentrale Ebene der Durchsetzung von gewerkschaftlicher Solidarität und der politischen Regulierung von Märkten herausgebildet. Gleichwohl war sich die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung schon recht früh darüber bewußt, daß entsprechend der im Prinzip globalen Reichweite des Marktes auch internationale Formen seiner politischen Regulierung erforderlich sind.
Die Notwendigkeit internationaler Solidarität liegt demnach in erster Linie in der Konkurrenz nationaler Lohn- und Arbeitsbedingungen begründet. Unter den Bedingungen einer weitgehend liberalisierten und deregulierten Weltwirtschaft werden nationalstaatlich fixierte Lohnund Arbeitsstandards jedoch in zunehmenden Maße dem internationalen Konkurrenzmechanismus unterworfen.