Beitrag von Jean-Christophe Rufin, Médecins sans frontieres, in "Le Monde" vom 20. März 1999 (Wortlaut)
Während des Kalten Krieges waren die humanitären Hilfsorganisationen auf sich gestellt. Niemand machte ihnen in den afghanischen Bergen oder im kambodschanischen Dschungel den Platz streitig. Seit 1989 mußten sie sich daran gewöhnen, vor Ort mit der Organisation der Vereinten Nationen auszukommen.
Die massive internationale Präsenz auf den meisten Krisenschauplätzen, sei es in Gestalt von Blauhelmen oder nationaler, von der Weltorganisation autorisierter Streitkräfte (amerikanische, französische...), veränderte bis ins Jahr 1995 hinein die Bedingungen grundlegend. Von Herbst 1995 bis heute, das heißt von Bosnien bis zum Kosovo, war es dann die NATO, mit der sich die karitativen Organisationen arrangieren mußten.
Das Auftauchen dieses "muskelbewehrten" Faktors auf der internationalen Szene begrüßten die Hilfsorganisationen durchaus. Sie waren die ersten, die die Passivität der internationalen Politik angesichts der Dramen des Balkans oder Afrikas beklagt hatten. Jetzt ist ihr Wunsch erfüllt worden, zumindest dem Anschein nach. Denn in der Praxis könnte sich die Nachbarschaft der NATO sehr wohl als eine extrem gefährliche Prüfung erweisen. Sicher, schon die Präsenz der Vereinten Nationen war mit Risiken verbunden.