Ausgabe Februar 2000

Nationalstaat ohne Zukunft?

Mit der Formel vom "fin de siecle" verbanden sich früher Vorstellungen von kulturellem Niedergang, Verwirrung der Werte und einem Vertrauensverlust der Eliten. Das gilt ganz eindeutig für das Ende des 19. Jahrhunderts. Im Rückblick erscheint es uns als Vorbote jener Krise der europäischen Zivilisation, die 1914 folgte. Im Kontrast hierzu endete das 20. Jahrhundert mit Feuerwerken des Optimismus, mit kräftig bekundetem Zukunftsvertrauen. Die wichtigsten Nationen haben ihre Wertekrisen und ihre sozialen und kulturellen Umwälzungen in den Jahrzehnten um die Jahrhundertmitte durchgemacht. Europäer und Japaner erlebten die späten 40er als "Null"-Jahre. Der Krieg hatte ihre Systeme zerbrochen. Amerikas Krise kam in den 60ern und frühen 70ern.

Die 90er Jahre hingegen ließen die Demokratien triumphieren. Ihre Wirtschaft blühte. Die Technologie veränderte das Leben der Menschen dramatisch. Für andere Teile der Welt sah es nicht so wunderbar aus, aber der Kern des Westens - Westeuropa und Nordamerika - verabschiedete sich vom 20. Jahrhundert mit einem Paukenschlag und beginnt das 21. mit großen Erwartungen. Selbst die Russen, die das Jahrhundert als niederschmetternde Erfahrung erlebten, bekunden Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Tatsächlich begleiten Voraussagen besserer Zeiten das neue Jahrhundert. Manche sehen einen progressiven Systemwandel voraus.

Sie haben etwa 20% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 80% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema