Zur Verabschiedung der europäischen Grundrechte-Charta
Das Problem hat eine Vorgeschichte. Am 29. Mai 1974 fällte das Bundesverfassungsgericht ein vielbeachtetes Urteil: Rechtsakte der EG seien am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu überprüfen, "solange" kein gleichwertiger geschriebener Katalog auf europäischer Ebene existiere. 1) Diese Position effektiv umzusetzen, hätte die Gemeinschaft in schwere Gefahren gebracht, da sie die Einheitlichkeit des EG-Rechts und damit die Basis des Gemeinsamen Marktes erschüttert, möglicherweise sogar zerstört hätte. Dazu kam es freilich nicht. Am 5. April 1977 veröffentlichten das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission eine "gemeinsame Erklärung", in der sie sich nachhaltig zum Schutz der Grundrechte bekannten, "die u.a. in den Verfassungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten definiert sind". 2)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) betonte in zahlreichen Entscheidungen, daß die Gemeinschaftsorgane Grundrechte zu beachten hätten. Inhaltlich stützte er sich dabei zunächst auf die "gemeinsamen Verfassungüberlieferungen" der Mitgliedstaaen 3), später auch auf die von den Mitgliedstaaten unterzeichneten völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte.