Ausgabe April 2001

Gibt es eine europäische Gesellschaft? Kann es sie geben?

Staaten schaffen einen einheitlichen Politik- und Rechtsraum, der soziale Differenzierung und Kooperation gleichermaßen gestattet. Sie sind im Unterschied zu Imperien („Reichen“) eine ausgesprochen moderne Erscheinung. Denn sie stellen eine notwendige Voraussetzung für die Entfaltung aller Modernisierungskräfte dar, insbesondere – Ernest Gellner hat darauf hingewiesen – ein höchst wirksames Regelwerk, dessen die kapitalistische Modernisierung der Ökonomie zu ihrer Freisetzung und Förderung bedarf. Nationalstaaten, verstanden als unter einheitlicher politischer Herrschaft stehende Territorien mitsamt ihren „staatsangehörigen“ Bevölkerungen, haben sich auf zwei unterschiedlichen Entwicklungspfaden herausgebildet: auf dem Wege der „unitarisierenden“ Verschmelzung kleiner Einheiten zu einer größeren durch nationale Einigung oder als Abspaltung peripherer Reichsteile (auch Kolonien) in einem Prozeß nationaler Befreiung und Unabhängigkeit. Einheit und Freiheit sind die beiden Werte, die nicht nur bereits existierende Staaten ihren Bürgern verbürgen; es handelt sich zugleich um die Triebkräfte und Leitwerte auf den beiden entgegengesetzten Wegen zur Eigenstaatlichkeit.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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