Ausgabe März 2002

Souveränität und Menschenrechte

Von Hauke Brunkhorst

Im FAZ-Sonntagsblatt vom 20. Januar 2002 antwortet die CDU-Vorsitzende Angela Merkel auf die Frage: "Die Union hat in der Einwanderungsdebatte oft den Integrationsgedanken hevorgehoben. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht das Schächten von Tieren, wie es im Islam üblich ist, erlaubt. Wie bewerten Sie das Urteil?" Frau Merkel hält es für "außerordentlich problematisch." Es lohnt sich, ihre Begründung genauer zu betrachten: "Wir haben erhebliche Spannungsfelder zwischen der Notwendigkeit der Integration und der Art und Weise, wie ausländische Bürger in unserem Land ihre Religion ausüben. Ich befürchte, dass mit diesem Urteil die Integration nicht erleichtert, sondern erschwert wird, weil letztlich gewachsene Traditionen und akzeptierte Prinzipien unseres Staates zurückgedrängt werden und Gesetze eines Landes so weit gedehnt werden, dass sich unter ihrem Schirm religiöse Rituale und jede andere Lebensart entfalten können. Damit kann das gemeinsame Verständnis der Mehrheit, der zivilisatorische Konsens unserer Gesellschaft, in Frage gestellt werden. Es ist jetzt die Aufgabe von Bundestag und Bundesregierung, die Maßstäbe der Integration von Ausländern festzulegen." Merkel bezieht sich in ihrer Rede auf zentrale Begriffe der Verfassung.

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