In einer von Jürgen Habermas initiierten konzertierten Aktion plädierten am 31. Mai 2003 sieben Intellektuelle von Rang in führenden europäischen Zeitungen für ein neues Selbstbewusstsein der Europäer: Zusammen mit seinem langjährigen philosophischen Kontrahenten Jacques Derrida veröffentlichte Jürgen Habermas einen Aufruf unter dem Titel "Unsere Erneuerung. Nach dem Krieg: Die Wiedergeburt Europas" in der Frankfurter "Allgemeinen Zeitung" sowie der Pariser "Libération" (vgl. Dokumente zum Zeitgeschehen); des Weiteren schrieben Adolf Muschg in der "Neuen Zürcher Zeitung" und Umberto Eco in "La Repubblica", Gianni Vattimo in "La Stampa" sowie Fernando Savater in "El País" und Richard Rorty in der "Süddeutschen Zeitung". Die von Habermas entworfene Konzeption eines voranschreitenden "Kerneuropas", das den europäischen Einigungsprozess als "Lokomotive" vorantreiben und ein Gegengewicht zur amerikanischen Hegemonialmacht bilden soll, löste intensive Debatten aus – nicht zuletzt über die Gefahr einer sich verfestigenden Spaltung zwischen Europa und den USA. An dieser Stelle antwortet Jürgen Habermas erstmalig auf einige wesentliche Einwände. Die Fragen stellte Albrecht von Lucke. – D. Red.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.