In der gegenwärtigen Debatte um die Zukunft der Europäischen Union wird ein Feld regelmäßig vernachlässigt: die europäische Steuerpolitik und die Regulierung des Steuerwettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten. Dies zeigt sich nicht zuletzt auf dem Feld der Unternehmensbesteuerung. Denn gerade in der Diskussion um die geplante Neuordnung der bundesdeutschen Körperschaftsteuer spielt der internationale Steuerwettbewerb eine entscheidende Rolle. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück begründet seine Vorschläge vornehmlich mit der Konkurrenzsituation, in der sich die Bundesrepublik befindet. Die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hohen Unternehmensteuern sollen auf ein wettbewerbsfähiges Maß reduziert werden.
Zwei Aspekte dieser Argumentation verdienen besondere Beachtung: Erstens wird suggeriert, dass es sich beim Steuerwettbewerb um reale ökonomische Aktivität handelt. Dem Verlierer im Steuerwettbewerb drohe die Abwanderung von Produktionsstätten und damit von Arbeitsplätzen. Diese Behauptung ist zumindest fraglich, geht es doch beim Steuerwettbewerb nur zu einem kleinen Teil um die tatsächliche Verlagerung realer ökonomischer Aktivität. Vielmehr überwiegt die Zuweisung und Verschiebung sogenannter „paper profits“ – also von rechnerischen Gewinnen und Verlusten. Diese Art des „Wettbewerbs“ ist volkswirtschaftlich ineffizient und zudem höchst ungerecht.