Nach fast fünf Jahren relativer Stabilität und jährlichen Wachstumsraten der Wirtschaft von über sechs Prozent ist die Türkei plötzlich wieder in der Krise. Was viele auswärtige Beobachter überraschte, hatte sich allerdings schon über Monate angekündigt. Manifest wurde die Krise mit dem „virtuellen Putsch“ der Militärs, die am 27. April kurz vor Mitternacht eine Erklärung auf ihrer Website veröffentlichten, die in der Türkei einen Schock auslöste. Kaum verklausuliert wurde da mit Putsch gedroht, falls die regierende moderat-islamische „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (AKP) weiterhin versuchen sollte, Außenminister Abdullah Gül zum neuen Präsidenten zu wählen. „Wir sehen einen elementaren Grundsatz des Staates, den Laizismus, gefährdet“, erklärten die Generäle und drohten damit, gegen die angeblichen Versuche einer Re-Islamisierung der Republik eindeutig Position zu beziehen.
Das Scheitern des EU-Beitritts
Auf den ersten Blick scheint die zeitliche Koinzidenz der Krise in der Türkei und der Wahl von Nicolas Sarkozy zum neuen französischen Präsidenten reiner Zufall zu sein. Bis zu einem gewissen Grad ist sie das auch. Die türkischen Generäle haben in der Tat nicht mit einem Putsch gedroht, weil sie annehmen mussten, dass zehn Tage später die Rechte in Frankreich die Wahlen gewinnen würde.