Ausgabe September 2011

Multikulti: Vom Schmuse- zum Schimpfwort

Der Massenmord von Norwegen hat die Debatte um die Zukunft der multikulturellen Gesellschaft unausweichlich in den Fokus der Aufmerksamkeit zurückgeholt. Der Hass des Attentäters Anders Behring Breivik richtete sich vor allem gegen einen von ihm so verachteten wie gefürchteten „Multikulturalismus“ und seine „kulturmarxistischen“ sozialdemokratischen Helfershelfer.

Umso wichtiger wird jetzt „Multikultur 2.0“, der aktuelle Sammelband von Susanne Stemmler, Leiterin der Abteilung Literatur, Gesellschaft, Wissenschaft im Berliner Haus der Kulturen der Welt. 36 Beiträge vermitteln auf 336 Seiten kritisch, anregend und vielstimmig die Lage der „Multikultur“ im Jahr 2011. Das Buch, quasi ein „multikulturelles Update“ für Theorie und Praxis, macht klar, dass es keine einfachen Lösungen für die Herausforderungen moderner Gesellschaften geben wird, dass die real existierende Vielfalt widersprüchlich ist und der Dialog konfliktreich.

Rund drei Prozent der Weltbevölkerung, etwa 192 Millionen Menschen, sind heute Migrantinnen und Migranten. Allein die Zahl belegt, dass Migration kein zu vernachlässigendes Nebenprodukt sozio-ökonomischer Umbrüche darstellt.

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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