
Bild: Hanser Verlag
Früh schon hieß es unter Kritikern, der Dichter Günter Kunert sei den Raben verwandt. Diesen sehr einzelnen Wesen, die bei erfahrenen Hexen, weisen Göttinnen und exzellenten Zauberern wohnen. Nachricht bringen sie vom Wesen der Dinge, unbekümmert über Bitterkeit oder Erfreulichkeit ihrer jeweiligen Kunde. Just dies brachte die Vögel in Verruf bei den Frohnaturen, die man auch Ideologen nennen darf: Scheuklappen schützen vor Einfällen des Zwielichts. Wer hingegen bereit ist, nicht zu viel zu erwarten, aber mit allem zu rechnen, wer also fähig bleibt, eine rau geknarrte Wahrheit über die melodiöse Lüge zu stellen, der fühlt sich den Raben verbunden.
Oder eben einem Dichter wie Kunert. Seine Verse: rabendüster, doch schimmernd von Schönheit. Voll Heiterkeit auch – darüber, bei Sprache zu bleiben, just dort, wo es zum anständigen Ton gehört, mit seinem Latein am Ende zu sein. „Zu Gast im Labyrinth“ heißt der letzte Gedichtband Kunerts, erschienen kurz vor des Schriftstellers Tod im September 2019. Die „Unbesiegliche Inschrift“ Brechts, bei diesem ein Signum einer erfolgreich insistierenden Vernunft, ist bei Kunert gebunden an „die Botschaft der Vergeblichkeit“ – hervorgebracht in Troja, dieser Trümmer-Metropolis einer unüberwindlichen Gegenwart.