
Bild: Der Präsident des Rats der Europäischen Union, Charles Michel, trifft den polnischen Premierminister Mateusz Morawiecki in Warschau, 10.11.2021 (IMAGO / Eastnews)
Im Streit um den Abbau des Rechtsstaats in Polen hatten »Blätter«-Redakteur Steffen Vogel (»Blätter« 9/21) und der Journalist Jan Opielka (»Blätter« 10/21) zuletzt ein schärferes Vorgehen der EU gegenüber Warschau begrüßt. Doch dabei sind Augenmaß und Präzision geboten, mahnt der Politikwissenschaftler Gert Röhrborn. Mit einer allzu weit gefassten Kritik an Polen schade sich die EU nur selbst.
Alle Augen richten sich derzeit auf die dramatische Lage an der Grenze zwischen Polen und Belarus. Warschau reagiert dort mit teilweise brutalen und rechtlich fragwürdigen Maßnahmen auf den vom Lukaschenko-Regime zynisch forcierten Zustrom von Migranten auf die EU-Außengrenze. Nicht minder bedeutsam ist aberder eskalierende Streit über Rang und Geltung des Rechtsstaatsprinzips in der EU zwischen Brüssel, Luxemburg und Warschau. Dabei ist es alles andere als sicher, dass das seit langem zu Recht von verschiedener Seite geforderte energische Auftreten der EU-Kommission das Kernproblem löst. Denn dieses liegt mitnichten im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, sondern in widersprüchlichen Auffassungen des Integrationsprinzips und deren Vermittlung an europäische Wählerschaften.[1]
Das Echo der Entscheidung des polnischen Verfassungstribunals bezüglich des angeblichen Vorrangs polnischen Rechts vor EU-Recht vom 7. Oktober wird so schnell nicht verhallen.