Ausgabe Mai 2022

Visegrád-Gruppe vor der Zerreißprobe?

Putins Statthalter vs. Selenskyjs Unterstützer

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki (links) während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelenskyy in Kiew/Ukraine, 15.3.2022 (IMAGO / ZUMA Wire)

Bild: Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki (links) während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelenskyy in Kiew/Ukraine, 15.3.2022 (IMAGO / ZUMA Wire)

Der 24. Februar 2022, der Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, markiert zweifellos eine Zeitenwende für Europa. Das gilt auch für jenes informelle Bündnis, das wir kurz Visegrád Four oder ganz kurz V4 nennen: die seit 1991 bestehende Allianz aus Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei.

Ursprünglich wurde es ins Leben gerufen, um die Integration der beteiligten Länder mit der EU voranzutreiben, und war anfangs nicht mehr als eine schwache Koalition heterogener Staaten. Lange blieb V4 weitgehend bedeutungslos. Doch nach 2015 entwickelte sich die Visegrád-Gruppe, wie sie offiziell heißt, in ein markantes Beispiel beziehungsweise Vorbild für eine EU der „verschiedenen Geschwindigkeiten“. Sie stand und steht in strikter Opposition vor allem gegen die Migrations- und Asylpolitik der Gemeinschaft und wendet sich insbesondere gegen jede (weitere) Abgabe nationalstaatlicher Souveränität an „Brüssel“, das manche im Bündnis als „EUdSSR“ verhöhnen. Zugleich beansprucht V4 aber gern Gelder aus dem EU-Budget, die häufig Korruptionsnetzwerke der führenden Politiker und politiknahe oligarchische Strukturen in den jeweiligen Ländern alimentieren.

Nun aber könnte der Krieg Russlands gegen die Ukraine entscheiden, ob die Visegrád-Staaten auf den westlichen Weg zurückfinden oder in einer instabilen Zwischenlage verbleiben. Die inneren Differenzen sind in den vergangenen Wochen jedenfalls deutlicher erkennbar geworden.

Mai 2022

Sie haben etwa 7% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 93% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (11.00€)
Druckausgabe kaufen (11.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Januar 2026

In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Ukraine: Zwischen Korruption und Diktatfrieden

von Yelizaveta Landenberger

Anfang Dezember herrschte rege Pendeldiplomatie, während die Bombardierung ukrainischer Städte und die russischen Vorstöße an der Front unvermindert weitergingen. Völlig unklar ist, ob der im November bekannt gewordene US-»Friedensplan« auch nur zu einem Waffenstillstand führen kann.

Vom Einsturz zum Aufbruch: Die Protestbewegung in Serbien

von Krsto Lazarević

Rund 110 000 Menschen füllen am 1. November die Fläche vor dem Hauptbahnhof in Novi Sad, um der Opfer zu gedenken, die ein Jahr zuvor unter dem einstürzenden Vordach starben. Für die seit Monaten Protestierenden steht der Einsturz nicht für ein bauliches, sondern für ein politisches und gesellschaftliches Versagen: ein sichtbares Symbol für Korruption und ein zunehmend autokratisches System.

Der Kampf um Grönland: Versöhnung als Geopolitik

von Ebbe Volquardsen

Die Stadt Karlsruhe könnte schon bald vor einem Dilemma stehen. Im Januar 2025 zeichnete sie ihren langjährigen Stadtvertreter Tom Høyem (FDP) mit der Ehrenmedaille aus. In den 1980er Jahren war der gebürtige Däne, mittlerweile auch deutscher Staatsbürger, Dänemarks letzter Minister für Grönland – ein Amt aus der Kolonialzeit.