Ausgabe August 2023

Im Alarmzustand: Nordosteuropa und der Ukrainekrieg

Soldaten der Bundeswehr bei der Übung Griffin Storm in Pabrade, Litauen, 26.6.2023 (IMAGO / photothek / Thomas Imo)

Bild: Soldaten der Bundeswehr bei der Übung Griffin Storm in Pabrade, Litauen, 26.6.2023 (IMAGO / photothek / Thomas Imo)

Die allgemeine gesellschaftliche Unrast, die seit dem russischen Angriff auf die Ukraine das „neue Gesicht Europas“ prägt,[1] hat auch die Staaten Nordosteuropas erfasst. Allenthalben werden russische Angriffshandlungen, zu Lande, zu Wasser oder in der Luft, erwartet. Doch schon zuvor, spätestens seit der Krim-Annexion und den folgenden westlichen Sanktionen von 2014, hat der „Informationskrieg des Kremls gegen die demokratische Welt“[2] für Ängste, Hysterie und nicht zuletzt für Konfusion gesorgt. An der sogenannten Nordostflanke der Nato intensiviert sich eine seit dem Zweiten Weltkrieg ungekannte Militarisierung. „Seit dem brutalen, groß angelegten Angriff Russlands auf die Ukraine leben wir in einer neuen geopolitischen Realität“, sagt die lettische Verteidigungsministerin Inara Murniece. Die Wiedereinführung des Wehrdienstes sei „Lettlands Antwort auf die neue Sicherheitslage in unserer Region“. Denn man wisse „aus der Erfahrung der Ukraine, dass es ohne eine moralisch stabile und vorbereitete Gesellschaft nicht möglich ist, einem Aggressor entgegenzutreten“.[3]

Innerhalb weniger Wochen revidierten Finnland und Schweden im vergangenen Jahr ihre lange bewährte Politik militärischer Neutralität und beantragten den Nato-Beitritt.

»Blätter«-Ausgabe 8/2023

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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