Ausgabe Februar 2024

Israel hat meine Familie getötet, aber nicht meine Hoffnung

Zwei Frauen trauern um ihre Angehörigen, die bei israelischen Angriffen Gazastreifen verletzt und getötet wurden, Deir Al-Balah, 9.11.2023 (IMAGO / ZUMA Wire / Adel Al Hwajre)

Bild: Zwei Frauen trauern um ihre Angehörigen, die bei israelischen Angriffen Gazastreifen verletzt und getötet wurden, Deir Al-Balah, 9.11.2023 (IMAGO / ZUMA Wire / Adel Al Hwajre)

Am 1. Juli 2005 stieg ich in ein Taxi, um als 15-jähriger Austauschschüler von meinem Elternhaus in Gaza-Stadt in die USA aufzubrechen. Ich steckte meinen Kopf aus dem Fenster und sagte meinem Vater, dass er mein Zimmer für meine Rückkehr schön halten solle. Er antwortete: „Es wird besser sein, als Du es verlassen hast, Inschallah.“ Ich bin niemals nach Gaza zurückgekehrt. Mein Vater, ein ehemaliger Arzt für die Vereinten Nationen im Flüchtlingslager von Dschabaliya, ist 2020 gestorben; die medizinische Hilfe, die sein Leben hätte retten können, gab es in Gaza nicht. Im Oktober hat ein israelischer Luftschlag mein Elternhaus zerstört.[1] Letzten Monat zerstörte ein anderer Luftschlag das Gebäude in Rafah, in dem der größte Teil der Familie meiner Mutter lebte.[2] Dutzende Menschen starben und das Haus, das faktisch meine zweite Heimat war, wurde völlig zerstört.

Die Militäroperation, mit der Israel auf die furchtbaren Angriffe der Hamas vom 7. Oktober 2023 antwortet, bewirkt weit mehr, als nur die Kampfkraft der Gruppe zu schwächen. Sie hat Tausende Menschen das Leben gekostet, ganze Viertel dem Erdboden gleichgemacht, Städte zerstört und zivile Infrastruktur dezimiert. Große Teile von Gaza sind durch sie unbewohnbar geworden. Unschuldige Zivilisten im Gazastreifen, darunter die überlebenden Mitglieder meiner eigenen Familie, leiden grausam.

»Blätter«-Ausgabe 2/2024

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