Was Putins Russland und die USA Donald Trumps gemeinsam haben

Bild: Animation: Eine kaputte Freiheitsstatue mitten in einem Trümmerfeld. (IMAGO / Dreamstime)
Der Versuch, Freiheit zu definieren, beginnt mit der Rettung des Wortes vor übermäßigem Gebrauch und Missbrauch. Ich fürchte, dass wir in meinem eigenen Land, den Vereinigten Staaten, von Freiheit sprechen, ohne wirklich darüber nachzudenken, was sie bedeutet. Amerikaner denken dabei oft an die Abwesenheit von etwas: von Besatzung, Unterdrückung oder sogar von Regierung. Ein Individuum ist frei, glauben wir, wenn die Regierung aus dem Weg ist. Negative Freiheit ist unser gängiges Verständnis. Natürlich ist es verlockend, Freiheit als „Wir gegen die Welt“ zu betrachten, wie es der negative Freiheitsbegriff ermöglicht. Wenn die Schranken das einzige Problem sind, dann muss mit uns alles in Ordnung sein. Das gibt uns ein gutes Gefühl. Wir glauben, wir wären frei, wäre nicht die Welt da draußen, die uns übel mitspielt. Aber reicht die Beseitigung von etwas in der Welt aus, um uns frei zu machen? Ist es nicht mindestens genauso wichtig, Dinge hinzuzufügen? Wenn wir wirklich frei sein wollen, werden wir bejahen, nicht nur verneinen müssen. Wenn wir dagegen davon ausgehen, dass Freiheit etwas bloß Negatives ist, die Abwesenheit von diesem oder jenem, glauben wir, dass wir nur ein Hindernis beseitigen müssen. In dieser Denkweise ist die Freiheit der Normalzustand des Universums, der uns von einer höheren Macht gebracht wird, wenn wir den Weg frei machen. Das ist naiv.
Den Amerikanern wird beigebracht, dass uns die Freiheit durch unsere Gründerväter, unseren Nationalcharakter oder unsere kapitalistische Wirtschaft gegeben ist. Nichts davon stimmt. Freiheit kann nicht gegeben werden. Sie ist kein Erbe. Wir nennen Amerika ein „freies Land“, aber kein Land ist frei. Der eritreische Dissident und Dichter Y. F. Mebrahtu wies einmal auf die unterschiedliche Rhetorik von Unterdrückern und Unterdrückten hin und bemerkte: „Sie reden vom Land, wir reden von den Menschen.“ Nur Menschen können frei sein. Wenn wir glauben, dass etwas anderes uns frei macht, lernen wir nie, was wir tun müssen. In dem Moment, in dem wir glauben, dass Freiheit einfach gegeben ist, ist sie weg.
Wir Amerikaner glauben gerne, dass Freiheit nur eine Frage der Beseitigung von Dingen ist und dass der Kapitalismus diese Arbeit für uns erledigt. Doch es ist eine Falle, an diese oder irgendeine andere äußere Quelle der Freiheit zu glauben. Wenn wir Freiheit mit äußeren Faktoren in Verbindung bringen, und uns jemand sagt, dass die Welt da draußen jetzt eine Bedrohung darstellt, dann opfern wir die Freiheit für die Sicherheit. Das ist ein fataler Fehler. Denn Freiheit und Sicherheit gehen Hand in Hand. In der Präambel der amerikanischen Verfassung heißt es, dass neben dem „allgemeinen Wohl“ und der „Landesverteidigung“ auch das „Glück der Freiheit“ zu erstreben sei. Wir müssen Freiheit und Sicherheit haben.
Als Russland in die Ukraine einmarschierte, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj seinem Volk nicht, dass er seine Freiheit gegen Sicherheit eintauschen müsse. Er sagte den Menschen, dass er im Land bleiben werde. Nach meinem Besuch in Jahidne sprach ich mit ihm in seinem Büro in Kiew, hinter vielen Sandsäcken. Er bezeichnete die Deokkupation als Chance, sowohl Sicherheit als auch Freiheit wiederherzustellen. Er sagte, dass der „Verlust der Freiheit Unsicherheit“ und dass „Unsicherheit der Verlust der Freiheit“ sei.
Die große Unsicherheit: Eine Kindheit im Kalten Krieg
Die Jahre meiner Kindheit im Kalten Krieg waren Jahre der Unsicherheit. Damals schien die Sowjetunion immer ganz nah zu sein, nur ein paar Flugminuten mit einer ballistischen Interkontinentalrakete entfernt. „Reader’s Digest“ brachte Artikel über die sowjetischen und die amerikanischen Atomwaffenarsenale. Das obsessive Interesse an der Zerstörungskraft der Supermächte war eine Möglichkeit, die Menschen zu ignorieren, die unmittelbar unter dem Kalten Krieg zu leiden hatten, wie die Lateinamerikaner, bei denen wir Amerikaner immer wieder einmarschierten, und die Osteuropäer, bei denen die Sowjets immer wieder einmarschierten. In den 1980er Jahren, als sich die soziale Mobilität in den Vereinigten Staaten verlangsamte, war immer offener von einer nuklearen Konfrontation die Rede. 1984 ging ich ans Telefon, natürlich ein Festnetzapparat, und nahm an einer Umfrage teil. Der Meinungsforscher stellte mir zwei Fragen: „Ist es sicher, in Supermärkten zu arbeiten?“ und „Haben Sie Angst vor einem Atomkrieg?“ Daran fand ich nichts Seltsames. Amerikanische Atomraketen wurden „Minutemen“ genannt, nach den Milizen des Revolutionskriegs.
In den 1970er und 1980er Jahren gehörte die Vision eines atomaren Schlagabtauschs zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion also zum Alltag. Der Kalte Krieg war für die Vereinigten Staaten eine moralische Herausforderung. Der Antikommunismus führte zu den denunziatorischen Auswüchsen des McCarthyismus. Er wurde zudem zu einer Rechtfertigung für die Unterstützung rechter Diktatoren, den Einmarsch in karibische und lateinamerikanische Länder und den Sturz demokratisch gewählter Machthaber. Mit dieser Sichtweise wurde ich erzogen. Die Herausforderung durch die Sowjetunion hat die Vereinigten Staaten aber auch zu mancherlei Stärken gezwungen. Sie hatte den Mondflug von 1969 und bedeutsame technologische Nebeneffekte zur Folge. Sie ermutigte die Amerikaner, sich mit europäischer und russischer Kultur zu beschäftigen, und führte zu staatlichen Investitionen in die Universitäten, auch in den Bereichen Sprachen und Geisteswissenschaften. An amerikanischen Universitäten wurden in den 1970er Jahren Seminare über Russland und die Sowjetunion angeboten (wenn auch selten über Osteuropa und fast nie über die Ukraine). Avantgardistische amerikanische Kunst, Musik und Literatur wurden im Ausland verbreitet, um zu zeigen, dass Demokratie hip und lebendig sein konnte. Die sowjetische Erinnerung an die amerikanische Ungleichheit stärkte den amerikanischen Wohlfahrtsstaat und half der Bürgerrechtsbewegung.
Solange also der Marxismus eine Alternative darstellte, versuchten die Amerikaner, ihr eigenes System mit Hilfe von Ideen zu rechtfertigen und mit Hilfe von Strukturen zu schützen. Mit dem Zerfall der Sowjetunion wich die amerikanische Angst einer seltsamen Euphorie. Die Amerikaner hatten Revolution und Zerfall nicht erwartet. Und doch sprachen viele nun voller Zuversicht über das, was darauf unausweichlich folgen würde: ein dauerhaftes kapitalistisches Gleichgewicht, das Demokratie und Freiheit mit sich bringen würde. Fairerweise muss man sagen, dass die besseren Ökonomen schon damals in Sorge über die Strukturen waren. Aber die negative Freiheit gab den Ton an: Sobald die Barrieren sowjetischer Planwirtschaft und Staatseigentums beseitigt waren, konnte nur Gutes folgen.
Nach 1989: Ein Determinismus ersetzte den anderen
Der Zerfall der UdSSR war wie ein Judo-Wurf, der die Vereinigten Staaten gegen sich selbst kehrte. Aus Behauptungen wurden Wahrheiten: Der Kapitalismus werde den Kommunismus ersetzen und der Welt die Demokratie bringen. Als ein negatives Freiheitverständnis in den Vereinigten Staaten zum Common Sense wurde, ersetzte ein Determinismus den anderen: Wenn das Fehlen von Privateigentum keine Freiheit gebracht hatte, so würde das Vorhandensein von Privateigentum das sicherlich tun. Da die ehernen Gesetze der Geschichte jeden befreien würden, war es nicht nötig, die Vergangenheit zu kennen – selbst die Details von Kommunismus und Faschismus, den beiden großen politischen Alternativen des 20. Jahrhunderts, durfte man getrost vergessen. Und doch muss es bei der Freiheit um mögliche Zukünfte gehen, und jede mögliche Zukunft steht in einer Linie mit einer tatsächlichen Vergangenheit. Wie aber könnten wir diese Linien ohne Geschichte ziehen?
In den frühen 1990er Jahren geschahen dann unerwartete Dinge: gewalttätige Rassenunruhen in Los Angeles, über die ich als Student der Geschichte in polnischen Zeitungen las, als ich die Sprache an der Ostseeküste lernte; die erste Bewerbung des Milliardärs Ross Perot um das Präsidentenamt, der für mich auf einer BBC-Wahlkarte in einem Gemeinschaftsraum in Oxford real wurde; die Jugoslawienkriege, die Flüchtlinge nach Wien trieben, wo ich mich mit einigen von ihnen anfreundete. Doch in dieser Stimmung schien jede Krise etwas Besonderes und jede Herausforderung etwas Technisches zu sein. Geschichte war nicht etwas, das man lernte, sondern das man verantwortlich machte – die ethnischen Säuberungen auf dem Balkan waren angeblich eine Folge „uralten Hasses“. Amerika sollte dagegen der zeitlose Maßstab für Freiheit sein. Wenn Freiheit bloß negativ besetzt ist, wird Politik zur praktischen Arbeit, den Müll der Vergangenheit zu beseitigen: Im Jargon der 1980er und 1990er Jahre hieß das „Deregulierung“, „Privatisierung“, „Sozialstaatsreform“. Man erwartete, dass die Wirtschaft oder die Natur den Rest erledigten. Diese Vorstellung von Freiheit als etwas Negativem hatte zur Folge, dass die Amerikaner den Osteuropäern schlechte Ratschläge erteilten: Privatisiert so schnell wie möglich; begreift den Wohlfahrtsstaat als kommunistische Deformation; ignoriert die Kultur. In den USA führte sie in den 1990er Jahren zu einigen schrecklichen innenpolitischen Maßnahmen, wie dem industriellen Gefängniskomplex und dem Horten von Reichtum.
Nine Eleven und die Fehler der 2000er Jahre
Negative Freiheit schwebte auch über Irrtümern der 2000er Jahre. Nachdem ich ein paar weitere Jahre in Osteuropa verbracht hatte, zog ich im September 2001 nach New Haven, Connecticut, um meinen ersten richtigen Job an der Yale University anzutreten. In den frühen Morgenstunden des 11. September war ich noch in New York. Als ich dann in New Haven erfuhr, was passiert war, wollte ich sofort zurück, aber die Züge fuhren nicht mehr.
Der 11. September wurde als etwas noch nie Dagewesenes dargestellt, als Anbruch einer neuen Welt, in der die Freiheit für die Sicherheit geopfert werden müsse. In meiner allerersten Lehrveranstaltung in Yale sprach ich über die Zerstörung der Twin Towers im Lichte dessen, was ich aus osteuropäischen Episoden von Terror und Gegenterror gelernt hatte: Eine Provokation funktioniert, wenn ein weniger mächtiger Akteur einen mächtigeren Akteur gegen sich selbst aufbringt. Die Anschläge vom 11. September 2001 waren zweifellos eine der erfolgreichsten Provokationen aller Zeiten. Danach wurde den Amerikanern gesagt, die Attentäter würden „die Freiheit hassen“, aber unsere Reaktion ließ vermuten, dass wir selbst das falsch verstanden hatten. Freiheit gegen Sicherheit einzutauschen bedeutete, von beidem weniger zu haben. Der Einmarsch im Irak 2003 tötete Hunderttausende von Irakern und machte die Vereinigten Staaten ärmer, unsicherer und weniger vertrauenswürdig. Dieser Krieg war ein Abenteuer in Sachen negativer Freiheit: Die bloße Zerstörung des irakischen Staates sowie die Auflösung der Regierungspartei und der Armee würden, so die Annahme, automatisch zu Kapitalismus und Demokratie führen. Das aber war nicht der Fall. Der Krieg stärkte den Iran und schuf eine Reihe von Sicherheitsproblemen, die bis weit ins neue Jahrhundert hineinreichten.
Unser falsches Verständnis von Russland in den 1990er und 2000er Jahren hatte ebenfalls mit negativer Freiheit zu tun. Im Jahr 1993 hatte der russische Präsident Boris Jelzin das russische Parlament gewaltsam aufgelöst. In den USA wurde das als notwendig für wirtschaftliche Reformen angesehen. In Wirklichkeit hatte sich die industrielle Konzentration in der Sowjetunion zu einem kapitalistischen Monopol entwickelt. Einige wenige Personen übernahmen die Kontrolle über die profitablen Unternehmen, mit verheerenden Folgen. Nach 1999 wurde dann Jelzins handverlesener Nachfolger, Wladimir Putin, zum Boss der Bosse, der seine Macht durch Terror und Kriege festigte. Durch die Linse der negativen Freiheit betrachtet, wirkte Putin wie ein Technokrat, der sich primär für Geld interessiert. Die Annahme war, dass Wohlstand Rationalität und Rationalität Demokratie bringen würde. Stattdessen brachte die russische Oligarchie eine neue Politik, eine Alternative in einer Epoche, in der es eigentlich keine Alternativen geben sollte. Im Jahr 2004 versuchte Putin, die Wahlen in der Ukraine zu manipulieren. Zehn Jahre später marschierte Russland in den Süden und Osten der Ukraine ein. Vor und während der Invasion verleumdete Moskaus Propaganda die Ukraine und die Ukrainer. Der Angriff beruhte nicht auf irgendwelchen Beweisen oder auf einer Ideologie, sondern auf Einschätzungen darüber, was bei den Nutzern sozialer Medien negative Emotionen hervorrufen würde. Mit dem Wissen darüber, was die Menschen über die Welt dachten, konnte Russland gezielt spezifische Schwachstellen ins Visier nehmen. Dabei waren Russlands Behauptungen über die Ukraine höchst widersprüchlich: Es gebe keine ukrainische Sprache, aber der ukrainische Staat zwinge alle, sie zu sprechen; der ukrainische Staat existiere nicht, sei aber repressiv; die Ukrainer seien alle Nazis, aber es gebe auch Juden und Schwule. Ich lebte zu dieser Zeit in Wien und hatte Kontakt zu ukrainischen Freunden und Kollegen. Ich war schockiert, als ich sah, wie gut die russische Propaganda in den Vereinigten Staaten funktionierte. Die simple Tatsache, dass Russland in ein Nachbarland einmarschiert war, ging in den sozialen Medien völlig unter.
Putins Russland: Wie aus einer Idee der Freiheit eine des Faschismus wird
In Russland erleben wir heute, wie aus einer Idee der Freiheit, bei der es um das Fehlen von Schranken geht, eine Idee des Faschismus wird, bei der es keine Schranken für die Launen des Führers gibt. Moskaus eigene Propagandaposition – nichts ist wahr und nichts ist gut – wurde nicht als Gefahr wahrgenommen. Der Einmarsch in die Ukraine offenbarte den Trugschluss des ökonomischen Determinismus: Das oligarchische Russland war ein aggressives Imperium, keine entstehende Demokratie. Doch für Menschen, die glaubten, dass Freiheit nur negativ sei, schien der russische Nihilismus nicht gefährlich zu sein. Das aber war er natürlich. Jedes Vakuum an Fakten und Werten wird mit Spektakel und Krieg gefüllt. Der faschistische Charakter des russischen Regimes hätte schon lange vor dem massiven Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 klar sein müssen. Das russische Beispiel sollte uns als Warnung dienen. Wenn wir glauben, dass wir in unserer Hingabe an die Freiheit exzeptionell sind, macht uns unsere Selbstüberschätzung anfällig für die Propaganda von Tyrannen, die auf das abzielt, was wir hören wollen. Wenn wir glauben, dass Freiheit negativ ist, ist das Problem nur ein äußeres Hindernis und niemals unser eigenes mangelndes Urteilsvermögen. Dabei wurde im 21. Jahrhundert längst auch der US-Kapitalismus in Richtung Monopol, Vermögenskonzentration und Dekadenz getrieben.
Als ich 2014, nach einem Jahr im Ausland, nach Amerika zurückkehrte, war ich (ebenso wie meine ukrainischen und russischen Freunde) erstaunt, wie gut die russischen sozialen Medien in der amerikanischen Politik funktionierten. Dass die Amerikaner von den Russen in Sachen Ukraine getäuscht worden waren, war schlimm genug. Doch 2015 und 2016 wurden die Amerikaner auch mit Blick auf andere Amerikaner an der Nase herumgeführt. 2016 siegte ein oligarchischer amerikanischer Präsidentschaftskandidat mit russischer Hilfe. Donald Trump, Putins gefügiger Schützling, ist ein Held der negativen Freiheit, wohlhabend durch zu gering besteuertes Erbe und ohne Skrupel, alles zu leugnen. 2018 reiste er nach Helsinki und verkündete der Welt, er vertraue einem russischen Diktator mehr als seinen amerikanischen Beratern. 2019 versuchte er, einen gewählten ukrainischen Präsidenten dazu zu nötigen, bei einer Schmutzkampagne gegen Joe Biden, seinen Konkurrenten bei den kommenden Präsidentschaftswahlen, behilflich zu sein. Als Trump 2020 die Wahl verlor, verbreitete er Lügen über das Ergebnis und versuchte einen Staatsstreich zu inszenieren, um an der Macht zu bleiben. Trotz des in der Verfassung verankerten Verbots für Aufrührer, öffentliche Ämter zu bekleiden, kandidiert Trump nun erneut für das Amt des Präsidenten – und hält damit Putins Hoffnung auf einen Sieg in seinem Krieg in der Ukraine am Leben.
Am Ende eines halben Jahrhunderts, das in den 1970er Jahren der Stoff war, aus dem die Träume der Demokratie sind, und in den 1990er Jahren der Stoff, aus dem zuversichtliche Zukunftsprognosen erwuchsen, befinden wir uns heute an einem Wendepunkt. Ob wir frei sein werden, wird von uns abhängen, und zwar nicht nur davon, was wir tun, sondern auch davon, warum wir es tun: also von unseren Idealen. Die Welt, in der Russland einmarschiert und foltert und Amerika arm macht und demütigt, ist eine Welt.
Mein Land ist auch das Land meiner inhaftierten Studenten. Hinter meinem Dasein in Yale und ihrem Dasein im Gefängnis gibt es eine größere Logik. Die US-Demokratie, die 1976 ihr zweihundertjähriges Bestehen feierte, war schon damals auf dem Weg, mehr ihrer Bürger einzusperren als jedes andere Land, und zwar aus rassistischen Gründen. Dass für mich die Wahrscheinlichkeit, ins Gefängnis zu kommen, nur etwa ein Fünftel so hoch ist wie bei einem Schwarzen, hat nichts mit Verdiensten meinerseits zu tun.
Russland dagegen ist aus vielerlei Gründen zu einem völkermörderischen faschistischen Imperium geworden, doch einer dieser Gründe ist negative Freiheit. Diese Auffassung machte es schwer, die Oligarchie als bloße Antithese zur Freiheit zu sehen (und nicht als Nebeneffekt eben jener negativen Freiheit) oder sich vorzustellen, dass Putin ein Faschist ist (und nicht einfach ein Technokrat, der nach Reichtum strebte). Amerika ist derweil zu einer mangelhaften Republik geworden, die aus vielerlei Gründen von Oligarchie und Faschismus bedroht ist, aber einer dieser Gründe ist ebenfalls negative Freiheit. Sie verleitet uns zu der Annahme, dass wir unsere Probleme gelöst haben, wenn wir sie privatisiert haben, während wir damit in Wirklichkeit nichts anderes erreichen, als uns voneinander zu trennen.
Der Beitrag basiert auf „Über Freiheit“, dem jüngsten Buch des Autors, das soeben im C.H. Beck Verlag erschienen ist. Die Übersetzung stammt von Andreas Wirthensohn..