Ausgabe März 2025

Trumponomics: Das Ende des Neoliberalismus?

Hafenkräne und die Freiheitsstatue in Newy York bei Sonnenuntergang. Trumps Wirtschaftspolitik könnte gravierende Auswirkungen auf Europa haben. (IMAGO / Tetra Images)

Bild: Hafenkräne und die Freiheitsstatue in Newy York bei Sonnenuntergang. Trumps Wirtschaftspolitik könnte gravierende Auswirkungen auf Europa haben. (IMAGO / Tetra Images)

Wirtschaftspolitisch schien sich in den ersten Wochen seiner Präsidentschaft alles um Zölle zu drehen: Donald Trump, der im Wahlkampf immer wieder seine „Liebe“ für dieses Instrument bekundet hatte, erließ gleich eine Reihe davon und drohte weitere an. Bei den Maßnahmen gegen Mexiko und Kanada trat er allerdings gleich wieder den Rückzug an: Nach der Ankündigung eines 25-prozentigen Aufschlags auf die Waren aus den beiden Ländern gaben die Börsen nach, und Trump setzte die Zölle nach eher symbolischen Zugeständnissen der beiden Nachbarstaaten wieder aus. 

Im Wahlkampf hatte Trump nicht nur Zölle angekündigt, sondern auch die Abschaffung der Einkommensteuer. Widersprüchliche Signale, die zu widersprüchlichen Diagnosen führen. Für die einen verkörpert er das Ende des Neoliberalismus, für andere dessen rücksichtslose Durchsetzung. Was also ist realistisch? Wofür wird Trumps zweite Amtszeit ökonomisch stehen? 

Aus seiner Wahlkampfrhetorik allein lassen sich diese Fragen jedenfalls nicht beantworten. Aufschlussreicher ist da schon, nachzuvollziehen, wie Trump zu seinem Reichtum gekommen ist. Erstens ist er kein Selfmade-Millionär: Er ist reich zur Welt gekommen und hat keinerlei Ambitionen, Reichtum und die Vererbung von Reichtum zu beschränken. Zweitens hat er seinen Aufstieg und seine Bekanntheit vor allem Steuersenkungen und unbeschränktem Kredit zu verdanken. Er ist von daher eng mit drei zentralen Eckpunkten neoliberaler Wirtschaftspolitik verbunden: Steuerreduktion, dem Aufstieg der Finanzindustrie und leichtem Zugang der Privatwirtschaft zu Krediten. Drittens war Trump nicht innovativ. Er war nicht erfolgreich, weil er etwas Neues erfunden hätte. Sein Erfolg basierte auf der Durchsetzung seiner Interessen gegenüber Kommunen und Banken, was durch eine Mischung aus Drohung und Versprechen möglich war. Viertens waren seine einzelnen Projekte oft nicht profitabel, was aber sekundär war, da er durch sie größer und mächtiger geworden ist. Letztlich wurde er „too big to fail“, sodass die Banken ihn lange nicht fallen ließen, als er vor dem Bankrott stand.[1] Nichtsdestotrotz musste Trump zweimal Konkurs anmelden. Doch die Konkursbestimmungen waren für Großvermögende so vorteilhaft, dass die Privatvermögen außen vor blieben und für das Geschäftsvermögen eine Reorganisation anstelle einer Abwicklung stattfand.[2] 

Trumps Aufstieg ist mit vielen Aspekten der Durchsetzung neoliberaler Wirtschaftspolitik verbunden und er wird diese, jedenfalls innerhalb der USA, keinesfalls aktiv bekämpfen. Auch die ständige Ausweitung der Einkommensschere zwischen dem reichsten ein Prozent und dem Durchschnitt der Bevölkerung ist für Trump kein Problem. Womit Trump allerdings nicht leben kann, ist die Idee, (neo-)liberale Wirtschaftsdoktrinen zur Basis für ein regelbasiertes internationales Wirtschaftssystem zu machen. Trump hält wenig von Regeln, die seine eigene Handlungsmacht beschränken. Statt auf Regeln setzt er auf Macht und Durchsetzungsstärke. Und: Trump ist kein Ideologe. Er hat wenig feststehende Prinzipien. Auch neoliberale Doktrinen nutzt er, wo sie ihm passen, um sie im nächsten Moment unter anderen Umständen über Bord zu werfen.

Das Ende der Freihandelspolitik

Schon vor der Durchsetzung des Neoliberalismus galt der freie Handel und der Abbau von Zöllen als liberales Ideal, welches schon von den sozialliberal geprägten Keynesianern nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, aber auch von den Ordoliberalen in Deutschland unter Ludwig Erhard vertreten wurde. Dieses Ideal prägte die Institutionen, die 1944 in Bretton Woods geschaffen wurden, und später auch den Washingtoner Konsens. Mit dem Neoliberalismus galt zunehmend auch die staatliche Förderung nationaler Industrieunternehmen offiziell als obsolet. Auf dieser Basis empfahlen IWF und Weltbank den „Entwicklungsländern“, ihre Handelsrestriktionen abzubauen und sich zu öffnen. Für Zollerhöhungen oder Subventionspolitik musste sich ein Staat vor internationalen Gremien rechtfertigen.

Diese Ära der internationalen Wirtschaftsdiplomatie unter liberalen Vorzeichen dürfte unter Trump nun an ihr Ende gekommen sein. Trump ist hier nur ein herausgehobenes Beispiel für eine Politik, die sich schon vor seinem Machtantritt abzuzeichnen begann. Bereits unter Barack Obama gab es eine gegen China gerichtete Wirtschaftspolitik, und Joe Biden führte Trumps Zollpolitik nahtlos fort. Chinas wirtschaftliche Erfolge sahen diese Regierungen als nachteilig für die USA an und als unfair, da nur durch staatliche Subvention ermöglicht. Hinzu kam die Angst, China könnte den Vorsprung der USA bei der Hochtechnologie aufholen. Der infolgedessen offen propagierte Übergang der USA zur Hochzollpolitik und zur Subventionierung der nationalen Industrie setzt die von den USA seit 1945 propagierten Prinzipien der internationalen Wirtschaftskooperation außer Kraft. Die Weltbank kann nun kaum mehr etwas von einem Land des Globalen Südens fordern, was die USA offensichtlich nicht umsetzt. Damit existiert keine weltwirtschaftliche Ordnung mehr, die zumindest den Anspruch erhebt, universell gültig zu sein. Statt Regeln dominieren Macht und die partikularen Interessen der einzelnen Staaten. 

Trump gibt den außenwirtschaftlichen Liberalismus auf, weil er in ihm keinen Nutzen mehr für die USA sieht. Außenpolitik insgesamt scheint unter Trump ganz unverholen daran orientiert, was unmittelbar den wirtschaftlichen Interessen der USA dient. Dies wird sehr wahrscheinlich das sprunghafte und chaotische Element in der US-Außenpolitik noch verstärken. So könnte Trump auch, anders als manche Hardliner in Washington, eine Einigung mit China eingehen, wenn ihm Xi Jinping einen Deal anbietet, der ihm vorteilhaft erscheint. Wahrscheinlich ist dies aber nicht, wie der Zollkonflikt in seiner ersten Amtszeit gezeigt hat. Trump erscheint von daher in der Außenwirtschaftspolitik eher als Merkantilist denn als Neoliberaler, doch wird Trump darin von vielen neoliberalen Ökonomen unterstützt, die den Freihandel ebenfalls ad acta gelegt haben.[3]

Abschaffung der Einkommensteuer?

In der ökonomischen Innenpolitik ist die Idealvorstellung der Neoliberalen seit jeher, dass man Steuern und Abgaben reduziert, dies durch die Senkung der Sozialausgaben finanziert und damit einen Wirtschaftsaufschwung generiert, der dabei hilft, die Staatsverschuldung abzubauen. Da aber bisher keine noch so neoliberale Regierung einen umfassenden Sozialstaatsabbau durchgeführt hat, weil schon dessen Ankündigung zu dramatischen Wählerverlusten führt, müssen sich neoliberale Regierungen in der Praxis entscheiden, ob sie den Fokus auf Steuersenkung oder Staatsschuldenbegrenzung legen. In der Bundesrepublik ist dieser Kampf zugunsten der Schuldenbremse entschieden worden. In den USA hat sich dagegen seit Ronald Reagan zumeist die Steuersenkungsfraktion durchgesetzt. 

Dies wird auch unter der neuen Trump-Regierung der Fall bleiben, zumindest so lange, wie die US-Staatsschulden nicht dramatische Probleme verursachen. In Trumps erster Amtszeit hat sich die Staatsverschuldung um acht Bill. Dollar erhöht. Davon gingen 2,5 Bill. Dollar auf Steuersenkungen zurück. Demgegenüber erbrachten die neuen Zölle als einzige wesentliche Maßnahme der Einnahmeerhöhung weniger als eine halbe Bill. Dollar Mehreinnahmen.[4] Diese Politik wird Trump fortsetzen, da er davon ausgeht, dass die US-Staatsverschuldung kein Problem darstellt, solange die USA mächtig genug sind und der Dollar die Weltreservewährung bleibt.[5]

Trump hat sogar, erstmalig in einer Wahlveranstaltung im Juni 2024, von einem radikalen Projekt der Steuersenkung gesprochen: der Abschaffung der zentralstaatlichen Einkommensteuer. In zwei Interviews bestätigte er im Oktober 2024 kurz vor der Wahl diese Absicht noch einmal. Wenige Tage später antwortete Trump auf die Frage des Podcasters Joe Rogan, ob er wirklich glaube, die Einkommensteuer abschaffen zu können: „Yeah, sure, why not?”

Steigende Staatsschulden und Inflation

Der Verzicht auf die Einkommensteuer wäre einer der radikalsten Einschnitte in der Geschichte der Steuerpolitik. Im 19. Jahrhundert hatten die USA den Zentralstaat noch zu 80 bis 90 Prozent durch Zolleinnahmen finanziert. Aber dies war ein minimalistischer Zentralstaat, der vor allem die Militärkosten trug. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Einkommensteuer in fast allen kapitalistischen Staaten zur zentralen Einkommensquelle des Staates aufgestiegen.[6] Sie ist es auch in den USA noch heute, trotz vieler Steuersenkungen seit den 1980er Jahren. 2024 machte sie etwa die Hälfte der Einnahmen aus. Die angekündigten Zollerhöhungen wären nicht ansatzweise in der Lage, diese etwa 2,5 Bill. Dollar jährlich zu ersetzen. Aktuell importieren die USA jährlich Waren im Wert von 3,2 Bill. Dollar. Das hieße, dass theoretisch nur eine generelle Zollerhöhung auf über 75 Prozent in der Lage wäre, die Verluste auszugleichen. Doch wird es dazu nicht kommen, weil unter diesen Bedingungen die Importe einbrechen würden. 

Deshalb wird diese Idee Trumps wohl kaum umgesetzt werden. Aber auch so dürfte die Verschuldung der USA unter Trump erneut ansteigen: Eine Analyse des Committee for a Responsible Federal Budget ergab, dass die Umsetzung von Trumps Wahlprogramm – in dem die komplette Streichung der Einkommensteuer nicht enthalten war –, zu einer zusätzlichen Verschuldung von 7,75 Bill. Dollar führen würde.[7]

Auch wenn das Programm nicht vollständig umgesetzt werden sollte: Es ist offensichtlich, dass die Kombination aus Steuersenkung und Zollerhöhung inflatorisch wirken wird. Durch die Steuersenkung haben die Verbraucher mehr Geld zur Verfügung, während die Zollerhöhungen Produkte aus dem Ausland verteuern und US-Produzenten erlauben, höhere Preise zu nehmen.[8] Entscheidend für die Trump-Administration wird sein, wie stark die Zentralbank FED auf den Inflationsdruck reagieren wird. Viele Kommentatoren gehen davon aus, dass die FED sich nicht von den Drohungen Trumps beeindrucken lässt und sie bei steigenden Inflationsraten auch die Zinssätze erhöhen wird. Die Folge wäre eine Verteuerung von Investitionen in den USA, was Trumps Ziel, Firmen durch Steuersenkungen in die USA zu locken, konterkarieren kann.[9] Wenn Trump hingegen versucht, die Unabhängigkeit der FED einzuschränken, könnte dies in Kombination mit der steigenden Verschuldung dazu führen, dass von den Märkten der nach wie vor als absolut sicher geltende Status der US-Staatsanleihen in Zweifel gezogen würde, was weiter steigende Zinssätze auf den hohen US-Schuldenberg zur Folge hätte. 

Der Konflikt innerhalb des Trumplagers

Viele Ökonomen sehen deswegen eher die Gefahren von Trumps Wirtschaftspolitik und haben wenig Hoffnung auf positive Effekte. Warum betreibt Trump dann diese Politik? Es spricht viel dafür, dass er davon ausgeht, dass die Kombination aus für Unternehmen attraktiver Steuerpolitik und der Abschottung des US-Binnenmarktes nach außen durch Zollschranken dazu führen wird, dass eine große Zahl von Firmen in den USA investiert. Allerdings ging dieses Kalkül schon in Trumps erster Amtszeit nicht auf. Die Steuersenkungen und Zollerhöhungen führten damals keineswegs zu einem Investitionsboom in den USA. Und so gibt es gerade unter den größten Befürwortern einer Reindustrialisierung der USA erhebliche Zweifel, dass es diesmal funktionieren wird.[10] Sie verlangen deswegen von Trump ein staatliches Programm, das Firmen Subventionen gewährt, um sich in den USA anzusiedeln. 

An diesem Punkt wird schon jetzt ein Konflikt innerhalb des Trumplagers deutlich sichtbar. Als wichtigste Unterstützer eines staatlichen Industrialisierungsprogramms in der Trump-Regierung gelten Außenminister Marco Rubio sowie Vizepräsident JD Vance.[11] Beide verfügen jedoch nur über bedingte Handlungsmacht in der Wirtschaftspolitik. Auf der anderen Seite steht vor allem Elon Musk. Obwohl seine Firmen von zahlreichen staatlichen Subventionen profitierten, sprach er sich Anfang Dezember 2024 für das Ende staatlicher Subventionspolitik für E-Autos aus und hatte sich auch zuvor schon häufiger gegen Subventionen gewandt.[12] Bidens zentrales Förderprogramm, der CHIPS and Science Act, wird von Trump und der Mehrheit der Republikaner abgelehnt, während es von den Befürwortern einer Reindustrialisierung gelobt und nur ein weniger bürokratisches Verfahren gewünscht wird. Aktuell spricht aber wenig für eine breit angelegte Industrieförderung – zu sehr sind Trump, die Mehrheit der Republikaner und in erster Reihe Musk damit beschäftigt, den angeblich von linken Überzeugungstätern durchsetzten Staat zu zerstören. Auch Trumps Wahl des Budgetverantwortlichen spricht eher gegen ein solches Programm, denn Russ Vought ist ein Evangelikaler, der sich die Bekämpfung des „Deep State“ zum Ziel gesetzt hat. Daneben bezeichnete er Muslime als verflucht und kämpft für das Verbot jeder Form von Abtreibung.[13]

Was sich Wirtschaftseliten von Trump versprechen

Wenn die Wirtschaftsaussichten unter Trump so erst einmal bestenfalls gemischt erscheinen, warum stand die Wirtschaftselite trotzdem mehrheitlich hinter Trump? Bidens Wirtschaftspolitik kann nach herkömmlichen Kriterien als weitgehend erfolgreich bezeichnet werden. Die Wachstumsraten der USA waren im Vergleich zu anderen westlichen Industrienationen gut und die Arbeitslosenrate ist aktuell sehr niedrig.[14] Zur Niederlage der Demokraten hat sicher beigetragen, dass die Inflationsrate bis kurz vor den Wahlen hoch blieb, sodass die Mehrheit der US-Amerikaner sich trotz guter Wirtschaftsentwicklung kaum mehr leisten konnte.[15] Doch das Wachstum der großen Vermögen ging auch unter den Demokraten nahezu ungebremst weiter. Warum also die Entscheidung für Trump? 

Erstens forderten die Demokraten höhere Steuern auf große Gehälter und Kapitaleinkommen sowie die Stärkung des internationalen Kampfes gegen Steueroasen. Trump dagegen wird weitere Steuersenkungen für die Superreichen bringen und nichts gegen Steuerhinterziehung unternehmen, sondern eher Steueroasen in den USA fördern. Es kann also wenig Zweifel daran bestehen, dass Trumps Politik für die Topverdiener privat vorteilhaft ist. Zweitens versprechen sich einige Wirtschaftsbereiche auch Vorteile von Trumps Politik. An erster Stelle dürfte dabei der militärisch-industrielle Komplex stehen. Auch Biden hat in diesem Bereich zwar keine Kürzungen vorgenommen, aber für Trumps Politik der Stärke und der Drohung bedarf es militärischer Überlegenheit, die vermutlich mehr Aufrüstung bringen wird. Den Aufbau eines aufwendigen Raketenabwehrsystems, des „Iron Dome for America“, hat er schon angekündigt. 

Zudem dürften Trumps Drohungen gegenüber den Verbündeten, insbesondere den europäischen, ihnen den militärischen Schutz zu entziehen, wenn sie nicht die Militärausgaben deutlich erhöhen, Wirkung zeigen. Da die europäische Rüstungsindustrie nicht ansatzweise in der Lage ist, den steigenden Bedarf zu decken, ist in diesem Bereich mit einem deutlichen Exportzuwachs der USA zu rechnen. Auch Elon Musks Firma Tesla dürfte profitieren, hatten doch chinesische Elektroautos dem Unternehmen zunehmend Konkurrenz gemacht. Viele Tech-Unternehmer werden sich an Trumps Zollpolitik schon deshalb nicht stören, weil im digitalen Kapitalismus freie Märkte kaum noch eine Rolle spielen. Die Internetgiganten machen ihre Gewinne hauptsächlich damit, dass sie Monopole halten und den Zugang zu Märkten kontrollieren. Daraus generieren sie vor allem Werbeeinnahmen, denn sie können durch die Ausforschung ihrer Nutzer Werbung zielgenau adressieren.[16] Ihre Daten helfen ihnen auch bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz. Schon jetzt halten sie weit mehr Informationen über US-Bürger als der Staat; nichtsdestotrotz ist der Zugriff auf die Behördendaten aber für Musk und andere Tech-Milliardäre höchst attraktiv und im Rahmen von Trumps KI-Initiative mehr als denkbar.

Leere Versprechen für Stahl, Kohle und Landwirtschaft

Ob die von Trump immer wieder erwähnte Stahl- und Kohleindustrie profitiert, bleibt dagegen ungewiss. In Trumps erster Amtszeit hat sie keinen Aufschwung erfahren. Die von Präsident Biden vorerst verhinderte Übernahme von US Steel durch den japanischen Nippon Steel-Konzern zeigt alles andere als eine Stärke der US-Stahlindustrie. Trump hat Biden in diesem Fall unterstützt und betont, dass seine Zollpolitik einen Verkauf bald unnötig machen würde. Die Führung von US Steel sieht das allerdings anders und klagt gegen das Veto. Trump hat den japanischen Premierminister bei dessen Antrittsbesuch am 7. Februar 2025 davon zu überzeugen versucht, dass Nippon Steel in US Steel investieren, es aber nicht übernehmen sollte. Gleichzeitig kündigte er Schutzzölle für Stahl und Aluminium an.

Lange Zeit war die US-Landwirtschaft mehrheitlich ein Gegner von Zöllen, da sie hohe Exportüberschüsse erwirtschaftete. Dies hat eine lange Tradition und die Landwirtschaft war ganz wesentlich daran beteiligt, dass die USA bei den Staatseinnahmen ab Beginn des 20. Jahrhunderts anstatt auf Zölle zunehmend auf die Einkommensteuer setzten.[17] Doch seit 2022 verzeichnen die USA ein Handelsdefizit bei Agrargütern. Dieses erreichte 2024 mit 39 Mrd. Dollar eine Rekordhöhe. Nur noch bei Getreide und Ölsaaten sind die USA ein Nettoexporteur. Deswegen befürworten Teile der Farmer inzwischen auch eine Schutzzollpolitik. Ein Problem dabei ist allerdings, dass der mit Abstand größte Exportüberschuss bei landwirtschaftlichen Produkten aktuell mit 16 Mrd. Dollar gegenüber China erzielt wird.[18] Dieser Überschuss dürfte mit den von Trump erlassenen Zöllen deutlich sinken. Die größten Defizite haben die USA hingegen in diesem Bereich gegenüber Kanada und Mexiko. Und trotz Trumps Zolldrohungen wird sich das nicht so schnell ändern lassen, denn beide sind Teil des Freihandelsabkommens USMCA. Und so gibt es unter den Republikanern schon die Forderung, das Abkommen aufzukündigen, um auch Importe aus Kanada und Mexiko mit Zöllen belegen zu können – obwohl das Abkommen ja unter Trumps erster Präsidentschaft ausgehandelt und unterschrieben wurde.

Die nationalistisch-autoritäre Variante des Neoliberalismus

Insgesamt spricht, trotz des oft erratischen Agierens Trumps, vieles dafür, dass er erneut eine Politik der Kombination aus Steuersenkungen und Zollerhöhungen umsetzen wird, auch wenn viele Ökonomen vor negativen Folgen warnen. Aber steht er damit nun für das Ende des Neoliberalismus, wie es unter anderem Branko Milanović jüngst behauptet hat?[19] 

Die Antwort auf diese Frage hängt von der Definition des Begriffes Neoliberalismus ab. Mit dem neoliberalen Credo des freien Handels hat Trump nichts gemein und mit seiner Liebe für unilaterale Zölle steht er tatsächlich für ein Ende des Neoliberalismus als internationales Ordnungssystem. Folgt man dagegen Gérard Duménil und Dominique Lévy, die den Neoliberalismus als ein Projekt zur Wiederherstellung der Macht der Oberschicht oder der besitzenden Klasse definieren[20], dann besteht kein Zweifel, dass dieses Projekt von Trump ohne Einschränkung verfolgt wird. Wendy Brown wiederum hat den Neoliberalismus als „eine seltsame Form des Begründens, die alle Aspekte der Existenz in ökonomischen Denkweisen rekonfiguriert“ definiert.[21] Sie schließt damit an Michel Foucault an, der die Differenz zum klassischen Liberalismus betont. Für Foucault prägt den klassischen Liberalismus die klare Trennung von Markt und Staat. Markt und Staat funktionieren nach unterschiedlichen Regeln und sollen sich möglichst weitgehend aus dem jeweils anderen Bereich heraushalten. 

Im Neoliberalismus wird dagegen die Logik des Marktes zum allgemeinen Stil des Denkens erhoben, der sowohl für die Regierung als auch die Regierten handlungsleitend sein sollte.[22] Dieser Denkweise folgt Trump – auch wenn nach seiner Vorstellung auf dem Markt weniger eine geregelte Konkurrenz herrscht als das ungeschminkte Recht des Stärkeren. Trump will gewinnen, aber eine höhere Ordnung wie etwa bei Friedrich Hayek bietet der Markt für ihn nicht. Auch die Außenpolitik wird bei ihm im Wesentlichen durch ökonomische Überlegungen bestimmt. Trump steht demnach für eine nationalistisch-autoritäre Variante des Neoliberalismus, aber keineswegs für dessen Ende als wirkungsvolle Idee. Er führt den Staat dabei nicht wie ein Industrieunternehmen, das neue und innovative Produkte benötigt, sondern wie ein Immobilienunternehmer, der sich mit Größe und Macht auf dem Markt durchsetzt.

[1] Hyman P. Minsky, The Bubble in the Price of Baseball Cards, in: Hyman P. Minsky Archive 94, 1990, digitalcommons.bard.edu. Siehe auch Kevin M. Capeheart, Hyman Minsky‘s Interpretation of Donald Trump, in: „Journal of Post-Keynesian Economics“, 2015, S. 477-492.

[2] Melinda Cooper, Counterrevolution. Extravagance and Austerity in Public Finance, New York 2024, S. 71-73.

[3] Branko Milanović skizziert dies vor allem an der Entwicklung der „Financial Times“: Branko Milanović, How the mainstream abandoned universal economic principles, branko2f7.substack.com, 8.1.2025.

[4] Trump and Biden: The National Debt, crfb.org, 24.6.2024.

[5] Trumps erratische Außenpolitik könnte freilich dazu führen, dass der US-Dollar diese Stellung verliert. Vgl. Alexander Cooley und Daniel H.Nexon, Das Ende der liberalen Weltordnung, in „Blätter“, 2/2025, S. 51-58.

[6] Marc Buggeln, Das Versprechen der Gleichheit. Steuern und soziale Ungleichheit in Deutschland von 1871 bis heute, Berlin 2022, insbesondere S. 96-103.

[7] The Fiscal Impact oft he Harris and Trump Campaign Plans, crfb.org, 28.10.2024.

[8] Dies wird insbesondere den ärmeren Teil der Bevölkerung treffen: Kimberly A. Clausing und Mary E. Lovely, Why Trump’s Tariff Proposals Would Harm Working Americans, piie.com, Mai 2024.

[9] Olivier Blanchard, How will Trumponomics work out?, piie.com, 13.11.2024.

[10] Marc Fasteau und Ian Fletcher, Industrial Policy for the United States. Winning the Competition for Good Jobs and High-Value Industries, Cambridge 2024.

[11] Oren Cass, How Trump Can Rebuild America. The Conservative Case for Reindustrialization, in: „Foreign Affairs“, 16.1.2025. Oren Cass ist der Leiter der konservativen Denkfabrik American Compass und ehemaliger Berater von Mitt Romney. Er gilt zusammen mit Vizepräsident Vance als Vertreter der „Pro-Arbeiter“-Fraktion in der Republikanischen Partei. Siehe auch sein Buch, dass JD Vance als das wichtigste Buch bezeichnet, das er je gelesen habe: The Once and Future Worker: A Vision for the Renewal of Work in America, New York 2018.

[12] Sara Dorn, Musk Calls For Ending Electric Vehicle Tax Credit—Which Could Help Tesla, in: „Forbes News“, 5.12.2024; Sean O’Kane, Elon Musk says the US should ‚get rid of all‘ government subsidies, in: „The Verge“, 6.12.2021.

[13] Russ Vought: Donald Trump’s holy warrior. The Christian nationalist and budget wonk who wants to crush the „deep state“, in: „The Economist“, 3.1.2025. Siehe auch seinen zentralen Beitrag zum Project 2025: Russ Vought, Executive Office of the President of the United States, in: Paul Dans/Steve Groves (Hg.), Mandate for Leadership. The Conservative Promise, 2024, S. 43-68.

[14] Bericht des U.S. Department of the Treasury, The U.S. Post-Pandemic Recovery in Context, 14.1.2025.

[15] Isabella M. Weber, Taking Aim at Sellers’ Inflation, project-syndicate.org, 13.7.2023.

[16] Philipp Staab, Digitaler Kapitalismus. Markt und Herrschaft in der Ökonomie der Unknappheit. Berlin 2019.

[17] Robin Einhorn, Look Away Dixieland. Southeners and the Federal Income Tax, in: „Northwestern Law Review“, 2004, S. 773-797.

[18] Andrew Rechenberg, U.S. Faces Record Agricultural Imports. Worst Trade Deficit in History, prosperousamerica.org, 16.1.2025.

[19] Branko Milanović, To the Finland Station. Trump as a Tool of History, branko2f7.substack.com, 7.1.2025.

[20] Gérard Duménil und Dominique Lévy, Capital Resurgent. Roots of the Neoliberal Revolution, Cambridge/Mass. 2004.

[21] Wendy Brown, Undoing the Demos. Neoliberalism’s Stealth Revolution, New York 2015, S. 17.

[22] Michel Foucault, Geschichte der Gouvernementalität. Bd. II: Die Geburt der Biopolitik. Vorlesung am Collège de France 1978-1979, Frankfurt a. M. 2004, S. 168 und 305.

Aktuelle Ausgabe September 2025

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