Beherzt tritt die Frau vor und begibt sich an das Kopfende des Tisches. Mit einer rostigen Gießkanne in der Hand steht sie vor der Gruppe von Leuten mittleren Alters, die um den Tisch versammelt sind. "Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Ich möchte Ihnen etwas sehr Wichtiges zeigen." Mit einer liebevollen Geste stellt sie die Kanne auf den Tisch. "Dies", fährt sie mit zitternder Stimme fort, "ist die Gießkanne, die mein Vater vor langer Zeit benutzt hat, um die Blumen zu gießen, die vor unserem Haus wuchsen. Wir wurden damals aus unserem Haus vertrieben, doch der neue Besitzer des Hauses gestattete uns einen Besuch. Heute fand ich dort die Gießkanne, begraben unter ein paar Steinen." Sie hält inne und beginnt plötzlich zu schluchzen. Die Zuhörer warten respektvoll, bis ihre Tränen versiegen, während die russische Pianistin im Hintergrund weiter Etüden spielt.
Die Frau ist überglücklich über ihren Fund. Sie und andere der Gesellschaft, die in ihren Ferien Kaliningrad einen kurzen Besuch abstatten, zählen zu den deutschen "Heimwehtouristen", die, von wehmütigen Erinnerungen getrieben, den nördlichen Teil Ostpreußens in den vergangenen Jahren besucht haben. 1945 waren die 1,2 Millionen deutschen Bewohner dieses Gebiets ausgebombt und von der Roten Armee vertrieben worden.