Das finstere Gesicht mit der Sonnenbrille, das aus dem Uniformrock ragt, der sog. 68er-Generation wohl bekannt, ist seit Mitte Oktober wieder öfter auf den Bildschirmen zu sehen und prangt erneut auf Titelseiten. Porträt eines Monsters, das 1973 die Weltbühne betrat. Nicht nur in den Schwarzbüchern von damals ist nachzulesen, was geschah, nachdem die Bomben auf den Monedapalast fielen, die die Regierung Allende auslöschten und mit ihr die Hoffnungen auf ein erstmals in regulären Wahlen installiertes sozialistisches Modell: Chile. Hunderte von Seiten detaillierter UNO-Berichte schildern das Leiden unzähliger Getöteter, Gefolterter, auf Nimmerwiedersehen Verschwundener. General Augusto Pinochet wird in London am 17. Oktober 1998 aufgrund eines in Spanien erlassenen internationalen Haftbefehls festgenommen. Immunität eines ehemaligen Staatsoberhauptes brauche ihm nicht eingeräumt zu werden, stellt am 25. November die höchste richterliche Instanz, eine Kammer des Oberhauses (3:2) gegen eine Entscheidung der ersten Instanz fest. Der Innenminister will dem Auslieferungsantrag Spaniens entsprechen. Es gibt doch noch, wenn auch späte Gerechtigkeit, und offensichtlich auch noch Betroffene in aller Welt, die jubeln - und Anhänger Pinochets, die vor Empörung aufschreien. Die Medien überschlagen sich.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.