Ausgabe Mai 2003

Mut vor Freunden

Demokratiepreis 2003

Am 25. März 2003 liquidierten israelische Soldaten in Bethlehem einen mutmaßlichen Militanten. Bei der Operation starben außerdem zwei Männer und ein elfjähriges Mädchen, die nicht auf der Fahndungsliste standen. Meldungen wie diese vom Alltag an der israelisch-palästinensischen Front waren während der Bombenangriffe auf Bagdad nicht mehr als einen Dreizeiler wert und verschwanden im Innenteil der Zeitungen. Wer wollte es den Medien anlasten? Als im März/April 2002 bei der israelischen „Operation Schutzwall“ 660 Menschen den Tod fanden, war das Entsetzen der Staatengemeinschaft noch groß gewesen. Der UN-Sicherheitsrat rief zu einem sofortigen Waffenstillstand auf, der US-Präsident schickte seinen Außenminister zu einer Sondierungs- und Vermittlungsreise in die Region, bei dessen Ankunft in Jerusalem sprengte sich eine Palästinenserin in die Luft, sechs Passanten starben. Das ist Drama pur: eine Eskalation, eine Resolution, eine Mission, ein Selbstmordattentat. Inzwischen hat sich die Zahl der Opfer wieder auf das durchschnittliche Niveau seit Beginn der zweiten Intifada am 29. September 2000 eingependelt: drei Tote am Tag.

Für die Außenwelt haben die Rituale der Vergeltung, wie der Gewaltkonflikt wahrgenommen wird, den Charakter des immerfort Gleichen. Auf die Gesellschaften, die ihre Toten beklagen, hat er hingegen dramatische Auswirkungen.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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