Wenn nun, nach der Ermordung des hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke, von einer „neuen Qualität des rechten Terrors“ die Rede ist, dann handelt es sich dabei um eine gefährliche Begrifflichkeit. Denn sie verharmlost die „alte Qualität“ des rechten Terrors.
Dessen Ausmaß verdeutlichte zuletzt die Mord- und Bombenserie, die mit dem Kürzel NSU („Nationalsozialistischer Untergrund“) verbunden ist. Insgesamt 13 parlamentarische Untersuchungsausschüsse im Bund und in den Ländern sind mit dem NSU befasst gewesen. Und der Strafprozess gegen Beate Zschäpe in München hat mit fünf Jahren Dauer Justizgeschichte geschrieben. Dennoch ist eine umfassende Aufklärung des NSU-Terrors bislang nur unzureichend erfolgt.
Laut offizieller Version der obersten Strafverfolgungsinstanz Deutschlands, die der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts in München übernommen hat, gehen auf das Konto des NSU Morde an neun Männern türkischer, kurdischer und griechischer Herkunft sowie an einer deutschen Polizeibeamtin, drei Sprengstoffanschläge, zahlreiche weitere Mordversuche und 15 Raubüberfälle. Insgesamt mindestens 28 Taten, begangen innerhalb von 13 Jahren zwischen Dezember 1998 und November 2011. Für die Bundesanwaltschaft wurde dies alles, inklusive vorbereitender Ausspähungen, ausschließlich von zwei Tätern verübt: Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Ihnen soll als dritte Täterin Beate Zschäpe geholfen haben, allerdings habe sie weder bei einer der Taten noch bei den Ausspähungen direkt mitgewirkt.
Zu den Kritikern dieser Darstellung zählen nicht nur mehrere Anwälte der Opferfamilien sowie einige Journalisten, sondern auch der gesamte zweite NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, der ausgerechnet von einem CDU-Mann geleitet wurde. Das Fazit dieses Ausschusses lautete: Die Zwei- bzw. Drei-Täter-Theorie ist nicht haltbar. Diese Differenz ist auch politisch interessant, weil sie bedeutet, dass zwei Staatsgewalten – Exekutive und Legislative – zu gänzlich unterschiedlichen Bewertungen der NSU-Verbrechen kommen.
Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt eine doppelte Vertuschung insbesondere durch die Sicherheitsbehörden und Geheimdienste: Die erste Vertuschung ereignete sich in der Phase vor dem 4. November 2011, die durch die zahlreichen Morde in der ganzen Bundesrepublik gekennzeichnet war; die zweite Vertuschung setzte nach dem 4. November 2011 ein, dem Tag, als Böhnhardt und Mundlos ums Leben kamen, der NSU aufflog und die neonazistische Terrorzelle öffentlich bekannt wurde. Im Zentrum standen dabei immer wieder V-Leute der Geheimdienste.
Der Vertuschung erster Teil
Die offizielle NSU-Geschichte beginnt im Januar 1998 mit der Flucht des Jenaer Trios Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nach Chemnitz. Dabei halfen mehrere V-Leute. Doch schon Jahre zuvor hatten verschiedene Verfassungsschutzämter Neonazis, die im Laufe der Jahre eine Rolle spielen sollten, als V-Leute rekrutiert. In Chemnitz erhielt das Trio zudem Unterstützung von einem Neonazi, der im November 2000 V-Mann des Landeskriminalamtes Berlin wurde. Im Sommer 2000 zog das NSU-Kerntrio von Chemnitz nach Zwickau.
Auch dort saß im Zentrum der Neonazi-Szene ein V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Er hatte Kontakt zu Mundlos und Zschäpe, wie mehrere Zeugen glaubhaft versicherten. Wenige Monate später, im September 2000, begann die Mordserie des NSU-Komplexes. Dessen erstes Opfer war, am Stadtrand von Nürnberg, der Blumenhändler Enver Şimşek, der mit acht Schüssen getötet wurde. Die Polizei verdächtigte seinerzeit die Familie des Opfers, die Täter blieben unentdeckt. Bis zum April 2006 ermordete der NSU insgesamt neun Migranten. Dass bei all diesen Morden die gleiche Waffe, eine Pistole der Marke Ceska 83, genutzt wurde, war eigentlich ein klares Indiz dafür, dass es einen Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Taten gab. Dennoch lehnte die Bundesanwaltschaft eine Übernahme der Ermittlungen ab, und die Fahndung wurde nicht beim Bundeskriminalamt (BKA) zentral zusammengeführt.
Und dann, obwohl beim vorangegangenen Mord in Kassel ein Verfassungsschutzbeamter vor Ort war, wagten die Täter etwas noch Riskanteres. Im April 2007 griffen sie in Heilbronn zwei Polizeibeamte an – am helllichten Tag und auf einem belebten Platz, wo sich hunderte von Menschen aufhielten, weil das Frühlingsfest aufgebaut wurde. Die Täter nahmen sich die Zeit, um die Dienstpistolen sowie andere Gegenstände der Opfer zu entwenden. Aber handelte es sich bei den Tätern tatsächlich um dieselben, die auch die Morde an den Migranten verübt hatten? Warum verwendeten sie nicht erneut die Ceska-Pistole, sondern zwei andere Waffen? Und warum schossen sie nicht wie davor mehrfach auf die Opfer, sondern nur einmal, was dem zweiten Polizisten vermutlich das Leben rettete?
Auch das baden-württembergische Landeskriminalamt kam zu der Einschätzung, dass die Tat von mindestens vier bis sechs Tätern ausgeführt worden sei. In den Ermittlungsakten finden sich Hinweise auf möglicherweise insgesamt bis zu zehn Täter. Ganz offensichtlich hat in Heilbronn eine Operation stattgefunden. Was für eine Operation aber war dies, und wie passt das NSU-Trio in ein solches Szenario?
Letztendlich wurde bis zum November 2011 keiner der zehn Morde aufgeklärt. Auch der Begriff NSU blieb unbekannt. Dass es sich nicht etwa nur um ein Versehen oder Versagen handelte, sollte sich ab 2012 herausstellen, als diese Vergangenheit politisch und juristisch untersucht wurde und dabei Vertuschungsversuche quasi in Echtzeit zu beobachten waren.
Der Vertuschung zweiter Teil
Im November 2011, nach dem Auffliegen der Gruppe, begann Teil zwei der Vertuschung. Tatsächlich wurden in der Habe des Trios die Ceska-Mordwaffe gefunden, ebenso die zwei Tatwaffen von Heilbronn und die Dienstpistolen der beiden Polizeibeamten – gewichtige Indizien, die für eine Täter- oder Mittäterschaft sprechen können. Dennoch ist der zweifelsfreie und ausschließliche Nachweis der Täterschaft bislang nicht gelungen. Vor allem aber bleibt die Frage nach weiteren potentiellen Tätern unbeantwortet.
Ende 2011 nahm sich die Bundesanwaltschaft der Mord- und Bombenserie an. Zur gleichen Zeit löschte das Bundesamt für Verfassungsschutz jedoch mehrere Akten von V-Leuten in der rechtsextremen Szene – und zwar gezielt, um Spuren zu vernichten, wie Jahre später der zweite Untersuchungsausschuss des Bundestages herausfand. Die Bundesanwaltschaft duldete die Aktion und verschwieg sie.
Gleichzeitig setzten die Ermittlungsbehörden offenbar alles daran, die Frage nach weiteren Mittätern offenzulassen. Als sich Beate Zschäpe am 8. November 2011 schließlich der Polizei stellte, gaben Bundesanwaltschaft und BKA den Ermittlungen eine neue Wendung: Die Täterschaft von Böhnhardt und Mundlos stehe fest; die „Terroristische Vereinigung NSU“ habe nur aus drei Personen bestanden und sei mit dem Tod der beiden Männer aufgelöst.
Zwar bildete das BKA daraufhin eine Sonderkommission, in der zeitweise über 400 Kriminalbeamte mit Unterstützung der Landeskriminalämter arbeiteten. Im regionalen Ermittlungsabschnitt Baden-Württemberg, der den Polizistenmord untersuchte, wurden allerdings ausgerechnet jene LKA-Beamten aussortiert, die an der Theorie festhielten, dass die Tat von mehr als drei Tätern begangen worden sei.
Dennoch musste das BKA am Ende sein Scheitern eingestehen. Im Ermittlungsbericht vom Oktober 2012, auf dem die Anklageschrift des Generalbundesanwaltes für den Prozess in München aufbaut, heißt es etwa zum Polizistenmord von Heilbronn: „Nach wie vor herrscht keine Klarheit über Ablauf der Tat und Anzahl der beteiligten Personen. Ein eindeutiger Nachweis, dass zumindest Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am Tattag in unmittelbarer Tatortnähe waren, konnte bislang nicht erbracht werden.“
Damit ist auch unklar, wie der Mord an der Polizistin mit den Morden an Migranten zusammenpasst. Gerade deshalb könnte die Heilbronner Tat den Schlüssel für den gemeinsamen Hintergrund aller Taten darstellen.
Dass diese und viele weitere Fragen unbeantwortet blieben – nach mehr als sieben Jahren intensiver Ermittlungen und Recherchen sowie einer bis dahin beispiellosen Anzahl parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und einem historisch langen Gerichtsprozess – gibt Anlass zur Besorgnis. Offen sind dabei vor allem die Umstände der Ermordung des Deutschtürken Halit Yozgat am 6. April 2006 in Kassel. Die Tat fand im Beisein eines Mitarbeiters des hessischen Verfassungsschutzes statt, der zeitweise sogar als Mordverdächtiger galt und festgenommen wurde.
Die Verstrickungen des Verfassungsschutzes mit der neonazistischen Szene
Immerhin eine gesicherte Erkenntnis aus dem NSU-Skandal gibt es. Heute wissen wir, dass der Verfassungsschutz rechtsradikale Gruppierungen anführt, finanziert und sogar gegründet hat: Der Thüringer Heimatschutz, der Fränkische Heimatschutz und das Thule-Netz, die Hammerskins Sachsen, Blood and Honour (B&H) Thüringen, B&H Deutschland, Hooligans gegen Salafisten (Hogesa), der Ku Klux Klan Brandenburg, der KKK von Schwäbisch Hall – an der Spitze all dieser Gruppierungen standen V-Männer.
In diesem Umfeld bewegte sich auch das NSU-Trio. Dass es eigene Verbindungen zu Behörden unterhielt, ist daher eine naheliegende Vermutung. Und natürlich muss man auch das scheinbar Unmögliche denken: Waren Mitglieder des Trios ebenfalls V-Leute? Offiziell wird die Frage verneint. So klar ist das aber nicht. Denn bei der Lagebesprechung der Polizei nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos im November 2011 wurden schriftlich Aussagen festgehalten wie: „Die Zielfahndung nach dem Trio wurde 2002 eingestellt. Es wurde bekannt, dass das Landesamt für Verfassungsschutz die Zielpersonen abdecke.“ Oder: „Der Leiter der Polizeidirektion will alles tun, um Frau Zschäpe zu finden, bevor sie vom LfV abgezogen wird.“ Diese Sätze aus den Ermittlungsakten zum Tod von Böhnhardt und Mundlos in Eisenach, die bekannt wurden, weil Abgeordnete sie in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zitierten, legen den Verdacht nahe, dass die Mitglieder des NSU als V-Personen tätig gewesen sein könnten. Sicher wissen wir dies aber vermutlich erst, wenn es möglich ist, Einblick in die Akten des Verfassungsschutzes zum NSU zu erhalten.
Am 11. Juli 2018 verkündete das Oberlandesgericht München nach fünfjährigem Prozess seine noch nicht rechtskräftigen Urteile: Beate Zschäpe erhielt eine lebenslange Haftstrafe. Der Angeklagte Ralf Wohlleben wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt, kam eine Woche nach dem Urteil aber vorläufig frei, weil er bereits zwei Drittel der Strafe abgesessen hatte. Der Angeklagte André Eminger erhielt zweieinhalb Jahre Haft und wurde noch am selben Tag freigelassen. Von den beiden anderen Angeklagten, die je drei Jahre Haft erhielten, ist einer zurzeit ebenfalls auf freiem Fuß, der andere hat seine Strafe angetreten. Die Urteilssprüche erscheinen widersprüchlich, denn nach Zschäpe kann man Wohlleben und Eminger durchaus als NSU-Mitglieder Nummer vier und fünf bezeichnen: Wohlleben wusste lange, wo sich die drei aufhielten, und Eminger soll von allen Taten gewusst und sie mitgetragen haben.
Die größte Unbekannte aber bleibt nach wie vor die Hauptangeklagte. Mit ihrer Einlassung vom Dezember 2015 hat Zschäpe die Anklagekonstruktion gestützt und sich in gewisser Weise selbst zur Zeugin der Anklage gemacht. Demnach seien Böhnhardt und Mundlos die alleinigen Täter gewesen, von verstrickten Geheimdiensten ist keine Rede. Zschäpe hat damit sowohl der Bundesanwaltschaft als auch dem Staatsschutzsenat objektiv geholfen. Angesichts einer lebenslangen Haftstrafe stellt sich die Frage, was sie von der Vertuschung hat. Nimmt sie ein Leben im Gefängnis in Kauf, um Komplizen zu decken, die noch auf freiem Fuß sind? Oder wurde ihr möglicherweise eine Gegenleistung versprochen?
Verbindungen des NSU-Skandals zu anderen Terrorakten
Dass sich diese Frage überhaupt stellt, zeigt der Blick auf einen anderen Terrorkomplex. Im Jahr 1977 wurde das RAF-Mitglied Verena Becker wegen eines Mordversuchs an zwei Polizisten ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilt. Allerdings kam sie nach insgesamt zwölfeinhalb Jahren wieder frei – dank eines Gnadengesuches, dem der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker stattgab.
Erst im Jahr 2012 wurde Becker im Zusammenhang mit dem Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und zwei Begleitern im April 1977 in Stuttgart zu weiteren vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Ins Gefängnis musste sie nicht mehr. Ein Teil der Strafe galt als verbüßt, der Rest wurde zur Bewährung ausgesetzt. Brisanz erhielt der Prozess dabei nicht nur durch die Frage, ob die Angeklagte möglicherweise zum unmittelbaren Mordkommando zählte, sondern auch durch die neue Erkenntnis, dass sie als Informantin des Bundesamtes für Verfassungsschutz tätig war. Unklar ist allerdings, wann genau diese Zusammenarbeit begann – und ob dies bereits vor dem Anschlag im Jahr 1977 der Fall war. Sicher ist, dass diese bestand, als Becker 1989 begnadigt wurde und freikam. Könnte die Lösung im Fall Becker also auch eine im Fall Zschäpe sein?
Nicht weniger brisant ist der Fall Anis Amri. Mitten in der NSU-Aufarbeitung verübte mutmaßlich er am 19. Dezember 2016 einen Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt, der zwölf Todesopfer forderte. Wie beim NSU versuchen auch hier mehrere parlamentarische Untersuchungsausschüsse Licht ins Dunkel zu bringen, in denen ähnliche Auseinandersetzungen um Zeugen und Akten stattfinden – mitunter sind dabei sogar dieselben Personen aus den Sicherheitsbehörden beteiligt wie beim NSU-Fall. Auch im Fall Amri stößt man auf zahlreiche Manipulationen. Wieder gab es direkte Verbindungen zwischen den Behörden und dem mutmaßlichen Täter. Erneut wird offiziell von einem Einzeltäter gesprochen, was allerdings auch in diesem Fall überaus zweifelhaft ist. Und einmal mehr bewegten sich im Umfeld des mutmaßlichen Täters Amri zahlreiche V-Personen mehrerer Sicherheitsbehörden. Ihre Zahl hat im Fall Amri bereits „NSU-Niveau“ erreicht, etwa ein Dutzend wurden bisher gezählt.
Die Grenzen der Aufklärung
Heute erkennen wir also, dass die RAF-Attentate, der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt und die NSU-Morde mit Blick auf die Vertuschungspraktiken der Behörden zusammengedacht werden müssen. Der Sicherheitsapparat tut dies auf seine Weise auch. Überall verbergen sich dieselben Vielschichtigkeiten, dieselben undurchsichtigen Strukturen, ähnliche Widersprüche und Fragen. Insbesondere im NSU-Komplex, der sich im Amri-Komplex auf dramatische Weise wiederholt, erleben wir damit eine fatale schrittweise Aushöhlung und Zerstörung des Rechtsstaates, die sich aus der Unterdrückung der Wahrheit ergibt.
Unterdrückt wird sie vor allem durch das Schwärzen von Akten oder das Sperren von Zeugen durch die Geheimdienste. Ein besonderer Kunstgriff gelang dabei dem Bundesamt für Verfassungsschutz, als es dem NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages unpaginierte Seiten zur Verfügung stellte, also eine Blättersammlung ohne fortlaufende Seitenzahlen. Um deren Vollständigkeit vorzugaukeln, wurden die zusammengestellten ursprünglich unpaginierten Unterlagen obendrein speziell für den Ausschuss mit einer eigenen durchgehenden Paginierung versehen.
Offensichtlich sollte so verhindert werden, dass der Ausschuss feststellen kann, welche Akten geliefert wurden und ob diese auch vollständig sind bzw. welche Leerstellen sie aufweisen.
Angesichts dieses dreisten Vorgehens stellt sich die Frage, warum eine Sicherheitsbehörde, die selbst Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung ist, die Regeln der Untersuchung bestimmen darf. Längst sollten wir erkannt haben, dass es Zeit ist, die Regeln dieses Spiels zu verändern. Warum besuchen die Abgeordneten nicht die Registraturen der Ämter, um vor Ort Einsicht in die Originalunterlagen zu erhalten? Warum gibt es noch kein öffentliches Fragerecht von Zuhörerinnen und Zuhörern in Untersuchungsausschüssen? Diese könnten, wenn Abgeordnete keine Fragen mehr haben, eigene Fragen an vorgeladene Zeugen richten. Im NSU-Komplex wurde das von Beobachtern bereits in die Diskussion eingebracht. Und im Amri-Komplex haben Opfer und Hinterbliebene des Anschlages im Abgeordnetenhaus in Berlin ebenfalls explizit ein Fragerecht beantragt – bislang ohne Erfolg.
Fest steht: Nur mit einer Veränderung der Spielregeln werden wir die die Taten rechter Terroristen hierzulande überhaupt aufklären können. Am Ende des NSU-Prozesses sagte Yvonne Boulgarides, die Witwe des Münchner Mordopfers Theodoros Boulgarides, in ihrem Schlusswort vor Gericht: „Dieser Prozess ähnelt für mich einem oberflächlichen Frühjahrsputz. Um der Gründlichkeit Genüge zu tun, hätte man die ‚Teppiche‘ aufheben müssen, unter welche bereits so vieles gekehrt wurde.“ Offensichtlich ist es an der Zeit, die gesamte Wohnung zu entrümpeln, um ein sicheres Heim für die Hinterbliebenen der Opfer, Menschen mit Migrationshintergrund und engagierte Demokraten zu schaffen. Andernfalls steht zu befürchten, dass Walter Lübcke bei weitem nicht das letzte Opfer rechten Terrors gewesen sein wird.