Zeitdruck ist nicht immer ein guter politischer Ratgeber. In den Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien in Nordirland, die vor einem Jahr zum Abschluß des Belfaster Abkommens führten, war die politisch begründete Fristsetzung mehrfach ein probates Mittel gewesen, um den schwierigen Friedensprozeß in der Spur zu halten. Bis zum 10. März 1999 sollte eigentlich laut Fahrplan in Belfast einer der letzten und für die umfassende Implementierung des Abkommens vielleicht entscheidenden Knoten im diffizilen Netz neuer gemeinsamer Verantwortung für den Norden der Insel geknüpft werden: die Exekutive, bestehend aus zehn Ministern unter Führung von David Trimble von der protestantischen Ulster Unionist Party (UUP) und dem katholischen Sozialdemokraten Seamus Mallon (SDLP). Seit Wochen stellten die Unionisten jedoch ein Junktim her, das den Prozeß gefährlich nah an den Abgrund gebracht hat: Sie verweigerten die Regierungsbildung, solange die IRA nicht mit der Auflösung ihrer Waffenbestände (decommissioning) beginnt. Im republikanischen Lager wird dieser Druck als schwer erträglich empfunden, der Sinn-Fein-Vorsitzende Gerry Adams warnte vor "einer großen Krise" des Friedensprozesses, falls die Regierungsbildung nicht planmäßig vonstatten ginge.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.