Es mag wie ein Ritual gewirkt haben, als Anfang Juni der Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) beim 52. Sudetendeutschen Tag die Aufhebung der Benes-Dekrete forderte. Denn dieses Ansinnen gehört seit Jahrzehnten zum Grundkanon der Vertriebenenverbände; vermutlich seit ebenso langer Zeit auch zu dem führender Politiker der Unionsparteien. Doch dürfte der aktuellen Artikulation erheblich mehr Bedeutung beizumessen sein, als sie verdiente, wäre sie bloßes Duplikat aus der Vergangenheit. Denn der Appell Stoibers an die tschechische Regierung, sich "im Zuge des EU-Beitrittsprozesses von diesen Dekreten und Gesetzen verbindlich zu trennen" 1), weist auf den außenpolitischen Druck im europäischen Kontext hin, der sich für die Tschechische Republik mit dem Näherrücken der EU-Osterweiterung verschärfen dürfte. Die "Mauer der Benes-Dekrete" so Stoiber, müsse "beseitigt" werden, um etwas für die "Heilung des Vertreibungsunrechts" zu tun: "Die Dekrete sind längst nicht mehr ein Problem, das nur allein die Sudetendeutschen betrifft. Sie sind inzwischen ein Problem Europas, ja eine Wunde Europas.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.