Schicksalsfrage der EU
Mit der Unterzeichnung des Verfassungsvertrags am 29. Oktober, den jetzt noch die 25 EU-Mitgliedstaaten ratifizieren müssen, haben die europäischen Staats- und Regierungschefs entschieden, wie der "europäische Staatenbund" künftig regiert werden soll. Diese Entscheidung bedeutet für Deutschland, dass es - jedenfalls für die nächsten 10 bis 15 Jahre - jene Vision auf Eis legen muss, die Außenminister Fischer im Mai 2000 in seiner Rede in der Humboldt-Universität entwickelt hat. Eine "europäische Föderation" steht nicht auf der Tagesordnung. Dieses Ziel deutscher Europapolitik seit Adenauer musste Berlin aufgeben, weil ein Alleingang gegenüber den 24 anderen Staaten keine praktikable Handlungsmöglichkeit war.
Die Strukturentscheidung für die europäische Union der Nationalstaaten ist also durch den Verfassungsvertrag gefallen. Sie wird nicht verändert werden, unabhängig davon, ob die Türkei beitritt oder nicht.
Das Zurückstellen der Fischer-Vision für mindestens 10 bis 15 Jahre wird als ein sehr langer, kaum noch politisch operativer Zeitrahmen empfunden. Dieselben 10 bis 15 Jahre Verhandlungsdauer für den Beitritt der Türkei werden dagegen so diskutiert, als würde darüber übermorgen zu entscheiden sein.