Ausgabe Dezember 1999

Krise auf Bestellung

Der zweite Tschetschenienkrieg

Ein Sprichwort im Osten lautet: "Prahle nicht, wenn du in den Krieg ziehst." Jelzins Generäle haben es offenbar noch nie gehört. Sie haben noch keine größere Schlacht in Tschetschenien gewonnen, ja es ist noch nicht einmal zu einem ernsthaften Zusammenstoß gekommen. Dennoch verkünden Presse und Fernsehen großsprecherisch, Tausende tschetschenische Kämpfer seien getötet worden, wobei sie allerdings gleichzeitig einräumen, daß die Leichen bisher nicht gefunden werden konnten. Andere Kanäle berichten unterdessen von Flugzeugen, die eigene Truppen bombardieren, und von Chaos selbst bei einfachsten Aktivitäten. Die diesjährige Operation in Tschetschenien begann mit einer umfangreichen Medienkampagne, die auf dem Refrain basierte: "Wir werden die Fehler von 1994 nicht wiederholen." Doch weder die Militärs noch die Politiker scheinen den Krieg von 1994 bis 1996 ernsthaft analysiert zu haben. Damals plante General Gratschow einen einzigen wirkungsvollen Vorstoß, um so schnell wie möglich bis zur tschetschenischen Hauptstadt Grosny vorzudringen. Danach wollte er die Stadt einnehmen und die tschetschenischen Streitkräfte sowie die politischen Strukturen zerschlagen, ehe die Tschetschenen sich organisieren konnten, um einen Partisanenkrieg zu führen.

Dezember 1999

Sie haben etwa 8% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 92% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Verbrecherische Komplizen: Libyen und die EU

von Sigrun Matthiesen, Allison West

Es war ein Tiefpunkt in der Geschichte der Seenotrettung: 20 Minuten lang beschoss am 24. August ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache die Ocean Viking, ein Rettungsschiff der Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.