Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. Juni 2002 (Aktenzeichen: VI ZR 136/01) hat einen bizarren Ausgangsfall. Eine bayerische Ärztin teilte einem Paar die zu erwartende Behinderung ihres Fötus nicht mit und verhinderte dadurch seine von den Eltern für diesen Fall geplante Abtreibung. Sie tat dies im Glauben, so genannte Spätabtreibungen seien verfassungswidrig und sie könne nicht gezwungen sein, an einer rechtswidrigen Tat mitzuwirken. Ihr Irrtum oder ihr Eigensinn beruht auf einem - von vielen geteilten - Fehlverständnis der § 218 ff. StGB. Eingeprägt hat sich die Formel vom straflosen, aber rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch. Oft wird übersehen, dass sich diese nur auf die Beratungslösung bezieht. Dort wird seit 1995 darauf verzichtet, die Gründe der Schwangeren zu bewerten, wie zuvor nach der Notlagenindikation. Aber seit Ende des 19. Jahrhunderts gab und gibt es in allen modernen Rechtskulturen die medizinische Indikation. Sie kann eng (nur bei Gefahr für das Leben der Schwangeren) oder weit (alle Fälle so genannter Unzumutbarkeit) gefasst sein.
Im deutschen Recht ist sie 1995 sehr weit gefasst worden und gilt auch für so genannte selektive Abtreibungen, die früher unter die eugenische Indikation fielen.