Ausgabe Januar 2018

68 reloaded: Die Überflussgesellschaft und ihre Gegner

Als die Studentenbewegung vor 50 Jahren ihren Höhepunkt erreichte, schöpfte sie ihre Motive aus unterschiedlichen Quellen und verknüpfte dabei viele noch heute wichtige Themen der Zeit. Vor allem die Beschäftigung mit den Ursachen des Vietnamkrieges bewirkte, dass junge Menschen sich für die Politische Ökonomie (also das Ökonomische in der Politik) zu interessieren begannen und dass über den Charakter des Kapitalismus, über Klassenverhältnisse, Klassenkampf und Imperialismus diskutiert wurde. Der Vietcong galt als eine der Befreiungsbewegungen, welche „die Vernunft, die Institutionen und die Moralität dieser überentwickelten Industriegesellschaft in Frage stellen und bedrohen“, schrieb Herbert Marcuse seinerzeit: Denn ein Sieg der nationalen Befreiungsbewegung in Vietnam gegen die USA „würde bedeuten […], dass eine elementare Rebellion von Menschen gegen den mächtigsten technischen Repressionsapparat aller Zeiten erfolgreich sein kann“.[1]

Wie Marcuse, so verstanden auch die politisierten Studenten den Vietnamkrieg als „Manifestation eines Weltsystems“, einer „Gesellschaft im Überfluss“,[2] die erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder der Doktrin zu folgen schien, dass „Kriege Wirtschaftskrisen kurieren und, insofern sie außerhalb des eigenen Territoriums geführt werden, das kleinere Übel sind“.

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Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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