Ausgabe August 2019

»Das Recht, Rechte zu haben«

Die Festung Europa und die Aktualität Hannah Arendts

Das „Recht, Rechte zu haben“: Dieses zentrale Wort der Philosophin Hannah Arendt wird bis heute häufig im Kontext von Flucht und erzwungener Migration zitiert. Arendt, die zunächst an der Philipps Universität Marburg bei Martin Heidegger studierte, wurde durch die Gestapo kurzzeitig inhaftiert. Auch diese Erfahrung veranlasste sie dazu, bereits 1933 Nazi-Deutschland zu verlassen und in die USA zu emigrieren. Da sie 1937 vom NS-Regime ausgebürgert wurde, lebte sie einige Jahre als Staatenlose, bis sie schließlich 1951 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt.

Vor dem Hintergrund ihres eigenen Schicksals verfasste sie 1943 den Artikel „We refugees“.[1] Dort formulierte sie erstmals die These, der zufolge Menschsein immer auch das „Recht, Rechte zu haben“ einschließt. Was aber verbirgt sich konkret hinter diesem Konzept? Hannah Arendt formulierte den revolutionären Anspruch, die zum damaligen Zeitpunkt herrschende „Drei-Elemente-Lehre“, entwickelt von dem Staatsrechtler Georg Jellinek, müsse radikal in Frage gestellt werden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts galt der Staat als soziales Gebilde, das sich durch Dreierlei auszeichnet: ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und eine Staatsgewalt. Die Erfahrungen mit dem NS-Unrechtsregime veranlassten Arendt dazu, anzuzweifeln, dass das Konzept von Nationalstaaten überhaupt dazu in der Lage sei, Menschen Schutz zu bieten.

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Verbrecherische Komplizen: Libyen und die EU

von Sigrun Matthiesen, Allison West

Es war ein Tiefpunkt in der Geschichte der Seenotrettung: 20 Minuten lang beschoss am 24. August ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache die Ocean Viking, ein Rettungsschiff der Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.