Ausgabe Dezember 2023

Faschismus und Freiheitskampf

Zur Aktualität von Jorge Semprún

Jorge Semprun, München, 2.10.2008 (IMAGO / Martin Hangen / Plusphoto)

Bild: Jorge Semprun, München, 2.10.2008 (IMAGO / Martin Hangen / Plusphoto)

Er überlebte das KZ Buchenwald, koordinierte den antifaschistischen Untergrund in Francos Spanien, wurde zum Dissidenten der kommunistischen Bewegung und avancierte zum gefeierten Schriftsteller: Jorge Semprún hat die großen Hoffnungen des 20. Jahrhunderts geteilt, er hat die bitteren Enttäuschungen jener Epoche erfahren und die grausamen Verbrechen dieser Zeit bezeugt und erlitten. Das Leben dieses europäischen Intellektuellen, der vor hundert Jahren am 10. Dezember 1923 in Madrid geboren wurde, steht aber nicht nur exemplarisch für das vergangene Jahrhundert, sondern seine politischen Interventionen verweisen auch direkt in die hart geführten Debatten der Gegenwart – mit Blick auf das vom erstarkten Nationalismus bedrohte Europa, aber auch auf das immer noch komplizierte Verhältnis vieler West-Linker zu Osteuropa.

1986 hielt Semprún das Eröffnungsreferat bei den Frankfurter Römerberggesprächen. Er sagte dabei zwei Sätze, die in unter vielen Gesichtspunkten erstaunlich waren – und bis heute ihren Stachel nicht verloren haben: „Die Wiedervereinigung Deutschlands ist in jeder Hinsicht notwendig und ist gleichzeitig undenkbar.“ Und: „Die Wiedervereinigung Deutschlands muss Ergebnis eines entscheidenden Fortschritts der Demokratie in Europa sein.“ Die deutsche Einheit erschien Semprún, vier Jahre bevor sie Wirklichkeit wurde, nur vorstellbar „als Ergebnis der Demokratisierung Europas“.

»Blätter«-Ausgabe 12/2023

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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