Ausgabe Juni 2024

Für einen interaktiven Universalismus

Kosmopolitismus und die postkoloniale Kritik

Migrant:innen an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Die kosmopolitische Perspektive verpflichtet uns, schreibt Seyla Benhabib, lange bevor die Migranten und Flüchtlinge vor der Tür stehen, zu untersuchen und zu analysieren, wie unsere nationalen und regionalen Politiken zu solchen Bewegungen beitragen. Foto vom 10.1.2024 (IMAGO / USA TODAY Network)

Bild: Migrant:innen an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Die kosmopolitische Perspektive verpflichtet uns, schreibt Seyla Benhabib, lange bevor die Migranten und Flüchtlinge vor der Tür stehen, zu untersuchen und zu analysieren, wie unsere nationalen und regionalen Politiken zu solchen Bewegungen beitragen. Foto vom 10.1.2024 (IMAGO / USA TODAY Network)

Die zahlreichen Krisen der Europäischen Union, der Brexit, der Aufstieg von Autokratien und Autoritarismen, die Tatsache, dass Parteien mit faschistischer Ausrichtung oder mit Sympathien für den Nationalsozialismus wieder an die Macht kommen – all das sind Entwicklungen, die den Glauben an die universellen Menschenrechte und das Ideal des Friedens zwischen den Nationen, der durch eine normenbasierte internationale Ordnung erreicht werden sollte, erschüttert haben. Angesichts dieser weltpolitischen Veränderungen den Kosmopolitismus zu verteidigen, mag dem sprichwörtlichen Vogel Strauß gleichen, der den Kopf in den Sand steckt. Aber die Frage ist: Welche Alternativen gibt es? Wie lässt sich die Aufgabe der Rekonstruktion anstelle der Hermeneutik des Misstrauens angehen?

Mein Ziel ist es, die Kritik am Kosmopolitismus in ihren verschiedenen Formen, ob postkolonial oder dekolonial, einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Ich nehme diese Kritiken ernst und bin der Ansicht, dass sich der Kosmopolitismus auch weiterhin verteidigen lässt, indem man ihn von der Geschichte des westlichen Kapitalismus und dem Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus loslöst. Tatsächlich hat es bereits bedeutende Entwicklungen gegeben, die das Völkerrecht von einer eurozentrischen und staatsorientierten Perspektive hin zu einer stärker kosmopolitischen Dimension verschoben haben.

»Blätter«-Ausgabe 6/2024

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (3.00€)
Digitalausgabe kaufen (11.00€)
Druckausgabe kaufen (11.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema