Ausgabe April 1995

Tschechen und Deutsche

Rede des Präsidenten der Tschechischen Republik Vaclav Havel an der Prager Karls-Universität vom 17. Februar 1995 (Wortlaut)

Magnifizenz, meine Damen und Herren,

unsere Generationen leben in einer Zeit, die man möglicherweise einmal als die Zeit einer großen geschichtlichen Wende oder eines Umbruchs ansehen wird. Es ist eine Zeit, in der eine neue internationale Ordnung mühsam zur Welt kommt, in der viele Staaten aufs neue ihren Charakter, ihre Identität und ihren Platz im internationalen Geschehen suchen, in der sogar eine Suche nach einem neuen Geist des Zusammenlebens von Menschen, Völkern, Kulturen und ganzen Zivilisationskreisen auf diesem Planeten vonstatten geht. Man kann sagen, daß wir an einem Scheideweg angelangt sind und uns einer großen Herausforderung gegenübergestellt sehen. Unvermeidlich wird die Gegenwart auch zu einer Zeit einer neuen Reflexion einschließlich des Zurückdenkens an die Geschichte und eines neuen Bilanzziehens.

Es geht nicht nur darum, daß der bevorstehende fünfzigste Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges zum Nachdenken auffordert, welche Schlußfolgerungen wir jetzt mit zeitlichem Abstand - aus jenem Krieg, dem furchtbarsten in der menschlichen Geschichte, ziehen können. Es geht auch nicht nur darum, daß der fünfte Jahrestag des Falls der Berliner Mauer sowie des Endes des Kalten Krieges und der bipolaren Teilung der Welt uns zur Überlegung veranlaßt, was die jüngsten Ereignisse gebracht haben, was sie bedeuten und vor welche Aufgaben sie uns stellen. Es geht um mehr: wir müssen alle diese Geschehnisse in den breiteren und tieferen geschichtlichen Kontext setzen und versuchen, die Herausforderung unserer Zeit vor dem Hintergrund deren grundlegender Reflexion zu formulieren. Ich möchte mit ein paar Bemerkungen zu tschechisch-deutschen Beziehungen dazu beitragen. Es ist mir eine Freude, dies an einem Ort tun zu können, der die jahrhundertealte intellektuelle Koexistenz der Tschechen und der Deutschen so deutlich in Erinnerung bringt, wie es anderswo kaum möglich wäre: auf dem akademischen Boden der Karls-Universität. Das Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen bedeutet für uns mehr als bloß eines der vielen Themen unserer Diplomatie. Es ist ein Teil unseres Schicksals, sogar ein Teil unserer Identität.

Deutschland ist unsere Inspiration wie unser Schmerz; eine Quelle von verständlichen Traumata und vielen Vorurteilen und Irrglauben sowie von Maßstäben, auf die wir uns beziehen; einige sehen Deutschland als unsere größte Hoffnung, andere als unsere größte Gefahr. Man kann sagen, daß sich die Tschechen durch ihre Einstellung zu Deutschland und den Deutschen sowohl politisch als auch philosophisch definieren und daß sie durch den Typ dieser Einstellung nicht nur ihr Verhältnis zur eigenen Geschichte, sondern auch den eigentlichen Typ ihres nationalen und staatlichen Selbstverständnisses bestimmen. Für die Deutschen ist das Verhältnis zu den Tschechen verständlicherweise nicht von einer derartig fundamentalen Bedeutung, es ist für sie jedoch wichtiger, als manche von ihnen vermutlich zugeben würden: traditionell ist es einer der Tests, der auch den Deutschen ihr Selbstverständnis enthüllt, mehrere Male ist ja Deutschlands Beziehung zu uns ein wahres Spiegelbild seiner Beziehung zu Europa gewesen! Gerade zu dieser Zeit, in der auch das neu vereinte Deutschland seine neue Identität und neue Stellung in Europa und der Welt sucht, wächst die Bedeutsamkeit dieses Verhältnisses besonders. Was bedeutet das für uns? Nicht mehr und nicht weniger als eine Aufforderung, über das tschechisch-deutsche Thema öffentlich, offen und sachlich zu reden, im vollen Bewußtsein dessen, daß wir - indem wir darüber sprechen - über uns selbst sprechen. Erst in der jüngeren Vergangenheit nahm das tschechisch-deutsche oder deutsch-tschechische Verhältnis seine dramatische, zuweilen fast peinigende Gestalt an, das heißt, im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte, als es in zunehmendem Maße von der nationalen Dimension oder von nationalem Gehalt geprägt wurde.

Durch diese moderne Erfahrung wird oft verdeckt oder überschattet, daß in der früheren Geschichte eine viel längere Erfahrung gemacht wurde, gekennzeichnet von einer besonderen Art schöpferischen Zusammenlebens der Tschechen und der Deutschen in einem Staatsgebilde. Selbstverständlich ist das Zusammenleben auch damals nicht immer idyllisch oder einfach gewesen; jedoch hat es sich in den verschiedensten Konfrontationen, die später als rein nationale Konfrontationen dargestellt wurden, in Wirklichkeit um ganz andere Dinge gehandelt als darum, wer welchem Volk angehörte. Jene Auseinandersetzungen drehten sich um Religion, um Ideen oder Ideologien, um die Macht, um soziale oder andere Fragen, und obwohl es dabei in einigen Fällen auch eine Rolle spielte, woher die Beteiligten stammten, oder welche Sprachen sie sprachen, war die unterschiedliche nationale Gesinnung in dem Sinne, wie wir es heute verstehen, nicht als Beweggrund aufgetreten. Jahrhundertelang waren hier die beiden Elemente - zusammen mit dem jüdischen Element - in vielerlei Hinsicht miteinander vermischt, haben einander inspiriert und beeinflußt, so daß man sogar von einer Art Symbiose sprechen kann. Ihre verschiedenartigen Zusammenstöße haben diese Koexistenz weder gefährdet noch deren Ende verkündet; im Gegenteil, sie gestalteten deren Geschichte mit und wirkten mehrere Male sogar auf die politischen und kulturellen Leistungen der ganzen in unserem Lande lebenden Gemeinschaft stimulierend. Die spezifische Gemeinschaft stellte de facto das wahre Subjekt der böhmischen Geschichte dar, wenn auch die tschechische Bevölkerung immer die Mehrheit der Einwohner bildete.

Schließlich hat sich auch die internationale Stellung des Königreichs Böhmen lange Zeit von dem unterschieden, was der gegenwärtigen Stellung eines Nationalstaats entsprechen würde: es handelte sich um ein besonderes und einflußreiches Gebilde innerhalb eines universalistisch aufgefaßten Heiligen Römischen Reiches, wobei das Gewicht dieses Gebildes nicht durch die Anzahl der Angehörigen seines Mehrheitsvolkes, sondern durch ganz andere historische Gründe bestimmt wurde. Unter den letzteren spielte zweifellos sein - wie man es heute nennen würde - multikultureller Charakter eine Rolle. Die bedeutende Stellung der böhmischen Könige im Kurfürstentum ist ein sprechender Beweis dafür. Der einzigartige Verlauf des beinahe tausendjährigen Zusammenlebens der Tschechen und der Deutschen in unserem Lande, obgleich es während der letzten zwei Jahrhunderte immer komplizierter wurde und schließlich zugrunde ging, bleibt ein integraler Bestandteil unserer Geschichte und dadurch auch unserer gegenwärtigen Identität als Bürger der Tschechischen Republik und stellt einen Wert dar, den wir nicht vergessen dürfen. Unter anderem auch deswegen, weil es - mit ein bißchen Übertreibung gesagt ein sehr moderner Wert ist, der uns auch bei der Gestaltung der neuen tschechisch-deutschen Beziehungen inspirieren kann.

Das fatale Versagen der tschechischen Bürger deutscher Nationalität

Über die Ära des immer dramatischer werdenden Verhältnisses zwischen den Tschechen und den Deutschen in unserem Lande, wie es sich seit dem Beginn des vorigen Jahrhunderts infolge des fortschreitenden Nationalbewußtwerdens im modernen Sinne des Wortes entwickelt, sind schon Bände geschrieben worden. Ich werde mich deshalb auf die Zusammenfassung einiger weniger allgemeiner Fakten beschränken, die meiner Meinung nach außer Zweifel stehen und die, wie es scheint, heutzutage von der tschechischen Seite erneut betont werden sollten.

1. Wenn zuweilen jemand behauptet, daß die Tschechoslowakische Republik - als Ergebnis des Selbstbewußtwerdens und Selbstbefreiungsstrebens der Tschechen und der Slowaken und als Produkt des Friedens von Versailles - ein Irrtum und dadurch die Ursache der späteren Katastrophen wäre, verrät er bloß seine eigene Unkenntnis. Die Entstehung der Republik ist nicht nur auf den Realismus zurückzuführen, welcher den Bestrebungen der Tschechen und der Slowaken Rechnung trug, ihre Eigenständigkeit zu entfalten, sich von der Vorherrschaft der österreichisch-ungarischen Monarchie, die ihnen keine angemessene Stellung bot, zu befreien und ihre neue, lebensfähige staatliche Existenz auf ihrer Verbindung in einem Staat zu bauen. Nicht weniger wichtig, wenn nicht noch wichtiger, war die Tatsache, daß hier planmäßig ein moderner, demokratischer, liberaler Staat gegründet wurde, der auf denjenigen Werten beruhte, zu denen sich jetzt das ganze demokratische Europa bekennt, und in welchen es seine Zukunft sieht. Die Gründer dieses Staates nahmen an, daß es sich - vor dem Hintergrund einer sich sowohl innen- als auch außenpolitisch stabilisierenden Situation - zu einem wahren Bürgerstaat entwickeln und sich auf die schöpferische Zusammenarbeit all seiner Bürger und auf Respekt der einen für die nationale Eigenständigkeit der anderen stützen würde. Die Tschechoslowakische Republik hatte natürlich auch ihre Mängel - z.B. brachte sie nie eine völlig zufriedenstellende Lösung ihrer Nationalitätenprobleme zustande: die Ursache dieser Mängel lag jedoch nicht in den Werten, welche ihr in die Wiege gelegt wurden und ihr den Weg wiesen, den sie gehen sollte, sondern in der Unfähigkeit einiger politischer Kräfte, großzügig und im Geiste jener Werte kleine Innenprobleme zu bewältigen, bevor sie von Feinden der Freiheit zu großen Außenproblemen gemacht wurden. All dies ist bekannt und beschrieben, es ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß die Tschechoslowakei - zusammen mit Frankreich, den heutigen Beneluxländern, der Schweiz und den Staaten Skandinaviens - zu den wenigen wahrhaft demokratischen und in geordneten Verhältnissen lebenden Staaten des kontinentalen Europas gehörte. Dies wurde auch von Persönlichkeiten wie Thomas Mann bezeugt, dem die Tschechoslowakei - ebenso wie Tausenden anderer deutscher Demokraten - nach Hitlers Machtergreifung Asyl gewährte. Wenn sich die Tschechische Republik zur Kontinuität mit dem tschechoslowakischen Staat bekennt, so ist das doch ein eindeutig positives Element.

2. Es wäre eine gefährliche Vereinfachung, wenn man das tragische Ende des tausendjährigen Zusammenlebens der Tschechen und der Deutschen ausschließlich in der Aussiedlung der Deutschen nach dem Krieg sähe. Ohne Zweifel stellte die Aussiedlung der Deutschen das physische Ende dieses Zusammenlebens in einem gemeinsamen Staat dar, denn dadurch ging das Zusammenleben in der Tat zu Ende. Der tödliche Schlag, der es verursachte, wurde ihm jedoch durch etwas anderes versetzt, und zwar durch ein fatales Versagen eines großen Teils unserer Bürger deutscher Nationalität, die der in Hitlers Nationalsozialismus verkörperten Diktatur, Konfrontation und Gewalt den Vorzug vor Demokratie, Dialog und Toleranz gaben.

Während sie sich auf ihr Recht auf Heimat beriefen, sagten sie sich in Wirklichkeit von ihrer Heimat los. Sie negierten dadurch, unter anderem, die hervorragenden Leistungen zahlreicher deutscher Demokraten, welche die Tschechoslowakei als ihre Heimat mitgestaltet hatten.

So mangelhaft die Lösung der Nationalitätenfrage in der Vorkriegs-Tschechoslowakei auch gewesen sein mag, kann sie dieses Versagen nie rechtfertigen. Diejenigen, die es begingen, stellten sich nicht nur gegen ihre Mitbürger, gegen die Tschechoslowakei als Staat und gegen ihr eigenes Bürgerrecht in diesem Staat, sondern auch gegen die Grundlagen der Menschlichkeit selbst. Sie nahmen eine perverse rassistische Ideologie an und begannen auch gleich mit deren praktischer Anwendung. Es ist großartig, daß viele Nachkommen unserer ehemaligen Mitbürger deutscher Nationalität dies begriffen haben, und sich heutzutage selbstlos und geduldig für die Versöhnung zwischen unseren beiden Völkern einsetzen. Wir können unterschiedliche Ansichten über die Nachkriegsaussiedlung haben - meine eigene kritische Haltung ist allgemein bekannt -, wir können sie jedoch nicht aus dem geschichtlichen Kontext lösen. Wir können sie nicht getrennt sehen von all den Schrecken, die sich davor abgespielt hatten und ihre Ursachen darstellten. Bis vor kurzem hielt ich dies für etwas derart Selbstverständliches, daß ich keinen Bedarf spürte, es wiederholt zu betonen; heute muß ich es jedoch klar zum Ausdruck bringen, weil sich in Deutschland Menschen, die dies alles ignorieren oder sogar in Frage stellen, wieder zu Worte melden. Ich habe es ja bereits mehrmals gesagt, daß das Böse ansteckend ist und daß das Böse der Aussiedlung eine traurige Folge des ihr vorausgegangenen Bösen war. Darüber, wer als erster den Dschinn eines tatsächlichen Nationalhasses aus der Flasche ließ, kann kein Zweifel bestehen. Und wenn wir - als Tschechen - unseren Teil der Verantwortung für das Ende des tschechisch-deutschen Zusammenlebens in den böhmischen Ländern anerkennen sollen, müssen wir der Wahrheit halber auch sagen, daß wir uns zwar von dem heimtückischen Virus der ethnischen Auffassung von Schuld und Bestrafung anstecken ließen, daß wir diesen Virus jedoch nicht - wenigstens nicht in dessen moderner verheerender Form - in unser Land gebracht haben.

Das Münchner Abkommen

3. Meine dritte Bemerkung zum Thema Ende des tschechisch-deutschen Zusammenlebens bezieht sich auf das Münchner Abkommen. Ich bin nicht sicher, ob es einigen Menschen, insbesondere auf der deutschen Seite, bewußt ist, daß München nicht bloß eine ungerechte Lösung einer strittigen Minderheitenfrage, sondern die letzte und in gewisser Hinsicht ausschlaggebende Konfrontation mit der Nazidiktatur war. Damals kapitulierte die Demokratie vor der Diktatur und öffnete ihr dadurch den Weg zu jenem unerhörten Anschlag auf all die grundlegenden Werte der Zivilisation, sogar auf das eigentliche Wesen der menschlichen Koexistenz - wohl dem schwersten Schlag dieser Art, der in der Geschichte geführt wurde. Für Hitler war München die letzte Probe der Stärke der Demokratie und deren Fähigkeit, sich zu verteidigen. Die Münchner Kapitulation der Demokraten verstand er als ein Zeichen, daß es ihm freistünde, den Krieg zu entfesseln. Er hat sich mächtig verrechnet, die Demokratie behauptete sich schließlich, aber erst unter unermeßlich schweren Opfern, die sie höchstwahrscheinlich nicht hätte bringen müssen, wenn sie sich nicht der Täuschung der Beschwichtigung hingegeben und es fertiggebracht hätte, Hitler zur Zeit der Münchner Krise Widerstand zu leisten. Auch hier hat die Sache wieder zwei Seiten, die voneinander zu trennen sind: Während im militärischen Sinne der Weltkrieg mit dem Überfall auf Polen begann, begann er politisch ohne Zweifel mit dem Münchner Diktat. Hat ein großer deutscher Politiker nicht schon vor Jahren gesagt, daß München den Punkt bestimmte, von dem an es in den Abgrund ging?

Die Mitwirkung so vieler unserer damaligen deutschen Mitbürger an der Vorbereitung Münchens sowie an dessen Folgen kann deswegen nicht auf einen Kampf für deren Minderheitenrechte reduziert werden. Damals ging es weder um die böhmischen Deutschen noch allein um eine Verstümmelung der Tschechoslowakei als Vorspiel zu deren späterer Okkupation. Damals wurde ganz unzweideutig und auf internationaler Ebene der menschlichen Freiheit und Würde der Kampf angesagt. Waren die deutschen Nazigegner nicht die ersten, an denen sich die Nazis in Böhmen rächten? Für manche Deutsche, insbesondere für diejenigen, die durch die Aussiedlung betroffen wurden, mag es vielleicht bis heute nicht einfach sein, dies zuzugeben, ebenso, wie es für manche Tschechen, die dazu noch durch die Jahrzehnte der Unfreiheit gehandikapt sind, während derer dieses Thema tabu war, nicht einfach ist, zuzugeben, welchen Schaden sie der Demokratie und dadurch auch sich selbst angetan haben, indem sie die Idee der Vertreibung der Deutschen aus deren Heimat nach dem Krieg annahmen.

4. Über den Nationalsozialismus wurde einmal geschrieben, er sei eine der furchtbarsten Äußerungen der auf Stammeszusammengehörigkeit gegründeten Auffassung des Staates als einer Blutsgemeinschaft, gegen die sich seit zweieinhalb Jahrtausenden die Idee der offenen Gesellschaft behauptet und mit der sie zusammenstößt. Wenn wir dieser Interpretation zustimmen, sollten wir unsere Überlegungen über die tschechisch-deutsche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das heißt auch über einen tschechisch-deutschen Ausgleich oder eine Versöhnung, auf dem Einvernehmen gründen, daß die einzige Alternative für die künftige Entwicklung und die einzige Alternative, die zur endgültigen Aussöhnung führen kann, darin liegt, gemeinsam eine offene Gesellschaft zu bauen und gemeinsam für sie zu kämpfen, gegen alle, die - trotz all der entsetzlichen Erfahrungen mit dem modernen Tribalismus - wieder die geistigen Früchte des Nationalsozialismus verbreiten möchten. Solche Feinde der offenen Gesellschaft gibt es leider auf beiden Seiten unserer Grenze. Die von ihnen gebotene Alternative muß am Ende immer zu einer Konfrontation führen und allen Beteiligten Leid zufügen. Der einzige Weg für die demokratische Tschechische Republik und das demokratische Deutschland - und nicht nur für diese beiden besteht darin, sich vor solchen Feinden nicht zu fürchten und nicht zurückzuweichen. Auch Demokraten müssen ab und zu ausrufen können: "Es reicht!"

Welche Rolle ist der Vergangenheit beizumessen?

Wovon sollen wir ausgehen, wenn wir eine neue Beziehung zwischen unseren Völkern aufbauen wollen? Welchen Weg sollen wir gehen? Vor allem sollten wir versuchen, uns darauf zu einigen, welche Rolle eigentlich der Vergangenheit beizumessen ist. Auf keinen Fall können wir sie vergessen.

So wie eine konsistente Persönlichkeit, die im Einklang mit sich selbst lebt und für sich selbst Verantwortung trägt, ohne Wissen von ihrer Vergangenheit und Kontinuität und ohne eine verantwortungsvolle Einstellung dazu undenkbar ist, bleibt - natürlich in einer anderen Form eine verantwortliche Gemeinschaft, ob sie sich nun auf der nationalen oder auf der politischen Ebene definiert, ohne ein solches Wissen ebenso unvorstellbar. Wir müssen unsere Vergangenheit und unsere Geschichte kennen und unsere eigene Meinung dazu bilden. Das bedeutet jedoch nicht, daß wir uns in unsere Geschichte zurückversetzen müssen, daß wir versuchen sollten, uns in unsere Vorfahren zu verwandeln, daß wir immer wieder die von ihnen erlebten Situationen rekonstruieren und die von ihnen angenommenen Haltungen nachahmen, uns immer wieder mit deren Leid quälen oder über deren Erfolge Rührung empfinden und aus solchen Gefühlen politische Konsequenzen ziehen müssen. Die Vergangenheit kann nicht unser Programm sein. Sollten wir uns permanent in sie hineinversetzen und uns mit ihr existentiell identifizieren, wurden wir dadurch die Fähigkeit verlieren, sie mit Bestand zu betrachten, verantwortlich zu beurteilen und daraus Lehren zu ziehen, letzten Endes ist ein derart vollständiges Sich-Versetzen in die Vergangenheit nichts anderes als eine besondere Form der Wiederaufnahme der durch Stammesgefühl bestimmten Auffassung des Volkes als einer Einheit mit ihrer eigenen "überhistorischen" kollektiven "Übersubjektivität".

Wohin diese Auffassung am Ende führt, wissen wir nur zu gut: zu dem Prinzip einer endlosen Fortführung der Blutrache, wenn neue Generationen von Enkeln immer wieder andere Enkel für Verbrechen bestrafen, die die Großväter der letzteren an den Großvätern der ersteren begangen haben. Übereinstimmung in dieser Angelegenheit könnte mehrere bedeutende Folgen haben. Vor allem würde es bedeuten, daß die Zeit der Entschuldigungen zu Ende geht und eine Zeit der sachlichen Suche nach der Wahrheit kommt. Die Bedeutung der Worte, mit welchen sich die Vertreter eines demokratischen Deutschlands bei allen Völkern sowie bei den eigenen Bürgern für das, was der Nationalsozialismus ihnen angetan hat, entschuldigten, war groß und hat den Weg zu einem neuen Zusammenleben geebnet. Alles, was unsererseits über die Nachkriegsaussiedlung gesagt wurde, hat dasselbe Ziel verfolgt. Jetzt sind wir aber nach meinem Dafürhalten bereits weiter fortgeschritten. Jetzt bedarf es einer sachlichen und unvoreingenommenen Analyse und der Fähigkeit, daraus brauchbare Erkenntnisse zu gewinnen. Kurz gesagt, es ist erforderlich, ein für allemal klar zu sagen, was in die Geschichte gehört und als Geschichte behandelt werden sollte.

Unsere Zukunft liegt wirklich nicht in unserer Vergangenheit. Wenn man Vergangenes wieder zum Leben erweckt, ruft man auch all die Dämonen ins Leben, die in der Vergangenheit schlummern. Dies ist nicht der Weg, sondern etwas anderes: das Bewußtwerden dessen, wie gefährlich diese Dämonen sind. Eine solche Vorgehensweise bringt auch weitere praktische Folgen mit sich. Vom tschechischen Standpunkt gesehen gehört zu deren bedeutenden und logischen Konsequenzen eine eindeutige Ablehnung aller Versuche, aus längst vergangenen historischen Ereignissen oder Ungerechtigkeiten einen ganzen Komplex von aktuellen politischen oder rechtlichen Forderungen und Ansprüchen herauszuholen, welche selbst die Grundlage der Nachkriegsordnung Europas in Frage stellen. Die Stimmen, die solche Versuche befürworten, sind zwar nicht zahlreich und stellen bloß eine Randerscheinung dar, in der tschechischen Öffentlichkeit werden sie aber mit besonderer Empfindlichkeit wahrgenommen.

Deswegen halte ich es für meine Pflicht, an dieser Stelle ganz klar zu sagen, daß die Tschechische Republik ein direkter Miterbe der tschechoslowakischen Staatlichkeit ist, welche aus zwei furchtbaren Kriegen geboren wurde, an deren Entfesselung die Tschechen keinen Anteil hatten. Unsere Republik wird deshalb niemals über eine Revision von deren Ergebnissen verhandeln, sie wird keine Eingriffe in die Kontinuität ihrer Rechtsordnung zulassen und auf keine Korrektur der Geschichte auf Kosten unserer Zeitgenossen eingehen. Wenn eine Schuld in Form von Entschädigung der verbleibenden Opfer der Naziwillkür zu begleichen bleibt, so soll sie bezahlt werden.

Aber keine Geldsumme in keiner Währung wird je all das wiedergutmachen, was wir oder unsere Vorfahren durch das Verschulden des Nationalsozialismus durchmachen mußten. Weder die Zehntausende zu Tode Gefolterten oder Ermordeten, noch die moralischen, politischen und wirtschaftlichen Verluste, die wir in Folge von München, der Naziokkupation, dem Krieg und all dessen politischen Auswirkungen auf die Nachkriegszeit erlitten haben, lassen sich je ersetzen. Und wir sind nicht so töricht, den heutigen Generationen des demokratischen Deutschland Rechnungen für all das Unrecht zu senden, welches einige von deren Vätern, Großväter oder Urgroßvätern vor vielen Jahren begangen haben, ebenso wie wir den Völkern der ehemaligen Sowjetunion für die in den Jahrzehnten des Kommunismus an unserem Land sowie an unseren Seelen angerichteten Schäden keine Rechnungen aufstellen. Und weil das so ist, halten wir alle Versuche, von uns entweder in materieller oder anderer Form Ersatz für die Nachkriegsaussiedlung zu verlangen, für um so absurder.

Der Nationalsozialismus, München, der Krieg und all dessen bittere Früchte gehören in die Geschichte, und das einzige, was wir tun können und auch tun wollen, ist, uns zu bemühen, diese Geschichte zu begreifen und alles dafür zu tun, daß sie sich nie mehr wiederholt. Die Vertreter des demokratischen Deutschland haben bereits vor langer Zeit die deutsche Schuld für den Nationalsozialismus ausgesprochen, ohne das Unmögliche - d.h. eine Rückkehr der Geschichte irgendwohin vor den Zweiten Weltkrieg - zu versuchen. Auch wir haben versucht, unseren Teil der Verantwortung für all das Ungute, was nach dem Krieg geschah, zu beschreiben, aber auch wir haben nicht die geringste Absicht, die Geschichte zurückzudrehen, unsere vor langer Zeit legitim durch das Parlament angenommenen Rechtsakte über welche die darauffolgende Geschichte bereits Schichten ganz anderer Akte angehäuft hat - aufzuheben, neue Stürme im Bereich der Eigentumsverhältnisse ausbrechen zu lassen und dadurch all den bösen Geistern der Vergangenheit den Weg zu ebnen. Die Vergangenheit werden wir nie ändern können, und weder der Dreißigjährige Krieg, noch die zwei Weltkriege, noch die Konsequenzen des letzten lassen sich aus unserem historischen Gedächtnis löschen. Über all diese Geschehnisse die Wahrheit zu sagen, ist jedoch unsere Pflicht gegenüber der Welt sowie gegenüber uns selbst; dies ist von grundlegender Bedeutung für die Hygiene unserer Nation und unseres Staates.

Was die Aussiedlung betrifft, müssen wir auch die unangenehme Wahrheit zugeben und dabei keine Rücksicht darauf nehmen, welche verrückten Folgerungen jemand aus unseren Worten ziehen mag. Unsere Selbstreflexion ist nämlich ein weiterer, noch konsequenterer Schritt auf dem Wege der Ablehnung der Prinzipien, die all den heutigen Feinden der offenen Gesellschaft als Grundlage dienen, wenn sie versuchen, durch die Erhebung ihrer Ansprüche das teuflische Rad einer endlosen, von Stammesgefühl ausgehenden Abrechnung wieder in Bewegung zu setzen. Diejenigen, die aus unserem Land einst vertrieben oder ausgesiedelt wurden, sowie deren Nachkommen sind bei uns willkommen, ebenso wie alle Deutschen hier willkommen sind. Sie sind willkommen als Gäste, die das Land, in dem Generationen ihrer Vorfahren gelebt haben, in Ehren halten, die Stätten betreuen, an die sie sich gebunden fühlen, und als Freunde mit unseren Bürgern zusammenarbeiten. Vielleicht trennt uns keine große Entfernung von den Tagen, wenn Tschechen und Deutsche - nachdem sie sich in dem nach innen offenen Raum der Europäischen Union zusammenfinden - in der Lage sein werden, sich ohne Hindernisse überall auf deren Gebiet niederzulassen und an dem Aufbau ihres auf diese Weise erwählten Heimatortes teilzunehmen. Ein gutes Verhältnis zwischen Völkern, und daher auch unsere Versöhnung, kann nur der Zusammenarbeit freier Bürger entspringen, die der Versuchung widerstehen, sich unter kollektivistischen Bannern zu scharen und in deren Schatten die Geister der Stammesfehden hervorzurufen.

So wie die Zeit der Entschuldigungen und der Aufstellung von Rechnungen für die Vergangenheit enden und die Zeit einer sachlichen Debatte über sie beginnen sollte, muß auch die Zeit der Monologe und einsamen Aufrufe enden und durch eine Zeit des Dialogs ersetzt werden. Der Dialog hat ja schon seit langem begonnen unter den Bürgern, örtlichen Selbstverwaltungsbehörden, Historikern und sogar unter Politikern. Ich bin ein Befürworter dessen ständiger Erweiterung und Vertiefung. Es muß jedoch ein wahrer Dialog sein. Das heißt, daß wir Informationen, Erfahrungen, Kenntnisse, Analysen, Anregungen und Programme austauschen, sie vergleichen, Einklang suchen und all das Gute in die Tat umsetzen, worauf wir uns einigen, ohne daß sich entweder der eine oder der andere - nicht einmal andeutungsweise - als eine Geisel des anderen oder eine Geisel unserer unheilvollen Geschichte fühlt.

Eine Zeit des Dialogs

Mit anderen Worten gesagt, die Zeit der Konfrontation muß ein für allemal zu Ende gehen und eine Zeit der Kooperation beginnen. Je unzweideutiger sich die Beteiligten auf beiden Seiten zu der Idee des Bürgerstaates und der Bürgergesellschaft bekennen, desto besser wird ihre Zusammenarbeit gedeihen, Deutschland hat einen großen Vorsprung. Nicht nur im wirtschaftlichen Sinne, sondern auch deshalb, weil es - wenigstens in seinem westlichen Teil jahrelang in Freiheit leben und einen liberalen, demokratischen, auf all den zeiterprobten Werten der westlichen Zivilisation beruhenden Staat aufbauen konnte, der wahrhaftig europäisch orientiert ist, Das heißt, er verfolgt das Ideal Europas als Ideal eines politischen Organismus, der sich nach dem Prinzip der Gleichheit der Großen und Kleinen und deren auf Gleichberechtigung beruhenden Zusammenarbeit richtet, einer Zusammenarbeit in Frieden und im Sinne der gemeinsam empfundenen Achtung vor den Rechten und Freiheiten des Menschen, vor Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, den Regeln der Marktwirtschaft und der Idee der Bürgergesellschaft.

In der Tschechischen Republik blieb die Zeit lange stehen; das bedeutet aber nicht, daß wir die Verspätung nicht schnell einholen können, insbesondere, wenn wir uns auf das Potential der positiven Traditionen aus der Vorkriegszeit stützen, die, wie man sieht, nicht einmal siebenundfünfzig Jahre ganz haben tilgen können. Die Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit sind also gegeben. Und sollten störende Töne, Stimmen oder Gefühle zum Vorschein kommen, ist es erforderlich, gegen sie auf beiden Seiten viel energischer aufzutreten, als es bisher der Fall war. Auf der deutschen Seite sind es Stimmen, glücklicherweise vereinzelte und isolierte, die versuchen, die intellektuellen Ursprünge der einstigen deutschen Katastrophe zu rehabilitieren, Stimmen heimlicher Nostalgiker, die sich an die Idee klammern, der Nationalstaat sei der Höhepunkt des menschlichen Strebens, und die sich von dem Glauben an eine besondere deutsche Sendung nicht trennen können, welche Deutschland berechtigen soll, die anderen so zu betrachten, als sei es ihnen übergeordnet. Auf der tschechischen Seite gibt es dagegen eine seltsame, durchaus provinzielle Kombination von Angst vor den Deutschen und Servilität ihnen gegenüber; dazu kommt auch die Unfähigkeit mancher Leute, sich von der Zwangsjacke der in der Gesellschaft so lange gehegten Vorurteile zu befreien.

Dann und wann scheint es mir, als ob der für die Zeit unmittelbar nach dem Krieg charakteristische Gemütszustand bei uns erhalten geblieben sei und auf eine seltsame Weise durch das Gefühl, man solle von den Deutschen "wenigsten was herausholen", ausgeglichen würde.

So begegnen wir manchmal Menschen, die ihre Umgebung - im Sinne der kommunistischen Propaganda - mit Reden über die deutsche Gefahr schrecken und gleichzeitig an ihren Häusern "Zimmer frei"-Schilder aufgehängt haben und sogar von Tschechen Miete in D-Mark kassieren.

Auf der einen Seite also wortgewaltige, von nationalistischer Verblendung und Fremdenhaß gekennzeichnete Aufrufe, auf der anderen Seite ein totaler Mangel an elementarem Bürgerstolz. Es ist wieder das gleiche: das Bedürfnis, den kommunistischen Kollektivismus durch einen nationalen Kollektivismus zu ersetzen, die eigene individuelle bürgerliche Verantwortung abzuschütteln und in der Anonymität der Zugehörigkeit zu einer Meute unterzutauchen, die alle anbellt, die nicht zu ihr gehören - dies ist eine Variante der Erscheinungen, die systematisch bekämpft werden müssen. Die zeitweise auftretenden Zeichen eines unterbewußten Glaubens an eine unfehlbare Stimme des Blutes, des Schicksals, der Vorsehung und der Volksmythen, sowie an ein Recht, das Unmögliche - d.h. eine Revision der Geschichte, welche als eine Serie fortwährenden Unrechts an dem eigenen Stamm betrachtet wird, zu fordern, - dies ist nur eine Variante desselben Irrglaubens. Bekenntnis zum Optimismus

Nachdem ich die verschiedenen Gefahren geschildert habe, die entlang dem Weg zu einer guten tschechisch-deutschen Nachbarschaft lauern, nachdem ich diejenigen, die - vielleicht ohne sich dessen bewußt zu sein - Feinde solcher Zukunft sind, dargestellt habe, gestatten Sie mir, ein Bekenntnis meines Optimismus abzulegen. Ich glaube an das demokratische, liberale und europäische Deutschland. Ich glaube an das Deutschland von Theodor Heuss, Konrad Adenauer, Kurt Schumacher, Ludwig Erhard, Willy Brandt und Richard von Weizsäcker. Ich glaube an die Millionen deutscher Demokraten. Ich glaube an Deutschlands aufrichtiges Bestreben, den auf der Allgemeingültigkeit der Grundwerte der euro-amerikanischen Zivilisation beruhenden Prozeß der europäischen Vereinigung weiterzuentwickeln und zu vertiefen; ich glaube an Deutschlands Engagement dafür, daß Europa zu einem Kontinent des Friedens, der Freiheit, Zusammenarbeit, Sicherheit und gerechter Verhältnisse unter all seinen Staaten, Völker und Regionen wird.

Demnach glaube ich auch an Deutschlands aufrichtige Bereitschaft, eine rasche Eingliederung Zentraleuropas in das nordatlantische Bündnis sowie die Europäische Union zu unterstützen. Ich glaube einfach an Deutschlands Bereitschaft, ein einflußreicher Mitgestalter des sich vereinigenden Europas zu sein und dementsprechend seine freundschaftlichen Beziehungen zu Polen, der Tschechischen Republik und anderen neuen Demokratien positiv auf eine neue Basis zu stellen, ebenso wie es einst seine Beziehungen zu Frankreich, Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und Dänemark neu zu gestalten vermochte. Mit diesem Glauben stehe ich unter meinen Mitbürgern nicht allein. Die eindeutige Unterstützung, die unser Staat von Anfang an - vorbehaltlos und ohne Verdächtigung - der demokratischen Wiedervereinigung Deutschlands entgegenbrachte, ist ein Beweis dafür. Bereits als Dissidenten sagten einige von uns - und stießen damit auch bei manchen Deutschen auf Unverständnis -, daß es kein vereintes Europa ohne ein vereintes Deutschland geben könnte, und daß der Eiserne Vorhang erst dann fallen würde, nachdem die Berliner Mauer gefallen sei. Ich glaube auch an die positive Entwicklung der demokratischen Tschechischen Republik; ich glaube, daß sie das traurige Erbe des Kommunismus sowie der früheren historischen Traumata schnell bewältigen und allmählich zu einem vollwertigen und verantwortungsbewußten Mitglied der Familie der europäischen Demokratien werden wird.

Ich glaube, daß bereits in diesem Jahr manches getan werden kann, was das Vertrauen zwischen unseren Ländern vertieft, was die Hindernisse und Hemmungen abzubauen hilft, die unsere Beziehungen belasten, was dazu beiträgt, daß all die Schichten von Vorurteilen, Irrglauben, Illusionen und Verdächtigungen, mit welchen wir uns auseinandersetzen müssen, aus dem Wege geräumt werden. Ich glaube, daß wir es schaffen, auf dem guten Fundament, das wir für unser Zusammenleben nach 1989 gelegt haben, weiterzubauen, daß wir von den durch unseren zwischenstaatlichen Vertrag gebotenen Möglichkeiten Gebrauch machen und mit neuer Kraft und auf allen Ebenen die begonnene Zusammenarbeit weiterentwickeln werden. Ich glaube, daß das gemeinsame Engagement für jene Grundwerte der Zivilisation, auf denen das Europa von heute aufbaut, uns diese Arbeit erleichtern wird und daß wir in uns genügend Mut finden, um all denen die Stirn zu bieten, deren Politik sich nach rückwärts in eine unheilvolle Vergangenheit orientiert und demnach einen dicken Strich durch unsere positive Zukunft ziehen möchte. Ich glaube an die Macht der Wahrheit und des guten Willens als Hauptquellen unseres gegenseitigem Verständnisses.

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