Ausgabe November 1999

Ein hoffnungsvolles Zeichen am Ende des 20. Jahrhunderts.

Rede des UN-Generalsekretärs Kofi Annan vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 20. September 1999 (Wortlaut)

Ich fühle mich sehr geehrt, vor der letzten Generalversammlung des 20. Jahrhunderts zu sprechen und Ihnen meinen Jahresbericht über die Arbeit der Organisation vorzustellen. Der Text des Berichts liegt Ihnen vor.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Aussichten für die Sicherheit der Menschen und die Frage der Intervention ("human security and intervention") im nächsten Jahrhundert ansprechen. Ich vertraue darauf, daß Sie vor dem Hintergrund der dramatischen Ereignisse des letzten Jahres diese Entscheidung verstehen werden. Als Generalsekretär habe ich mir zur höchsten Aufgabe gemacht, die Vereinten Nationen in ihre rechtmäßige Funktion beim Streben nach Frieden und Sicherheit wiedereinzusetzen und sie den Menschen, denen sie dienen sollen, näherzubringen. An der Schwelle eines neuen Jahrhunderts wird dieser Auftrag weitergeführt. Dies geschieht jedoch in einer durch geopolitische, wirtschaftliche, technologische und ökologische Veränderungen gewandelten Welt, Veränderungen, deren bleibende Bedeutung sich uns noch entzieht. Bei unserer Suche nach neuen Mitteln, die uralten Feinde Krieg und Armut zu bekämpfen, werden wir jedoch nur erfolgreich sein, wenn wir gemeinsam unsere Organisation an eine Welt mit neuen Akteuren, neuer Verantwortung und neuen Möglichkeiten des Friedens und des Fortschritts anpassen.

Staatliche Souveränität im ganz grundsätzlichen Sinn wird durch die Kräfte der Globalisierung und der internationalen Kooperation neu definiert. Es herrscht inzwischen weithin Einverständnis darüber, daß der Staat dem Volk dienen soll und nicht umgekehrt. Gleichzeitig ist die Souveränität des Individuums - und hiermit meine ich die Menschenrechte und fundamentalen Freiheiten eines jeden Individuums, wie sie in unserer Charta verankert sind - durch das erneuerte Bewußtsein aufgewertet worden, daß jedes Individuum das Recht besitzt, sein oder ihr Schicksal zu kontrollieren. Diese parallel laufenden Entwicklungen - sie sind bemerkenswert und in vieler Hinsicht willkommen - eignen sich nicht für simple Interpretationen oder einfache Schlußfolgerungen. Sie fordern von uns die Bereitschaft neu nachzudenken - darüber, wie die Vereinten Nationen auf die an vielen Orten der Welt auftretenden politischen, menschenrechtlichen und humanitären Krisen antworten, über die Mittel, die von der internationalen Gemeinschaft in Notsituationen eingesetzt werden und über unsere Bereitschaft, in manchen Konfliktregionen einzugreifen, während wir uns bei vielen anderen Krisen, deren tagtäglich geforderter Tribut an Todesopfern und Leid uns schon aus Scham zum Handeln veranlassen sollte, auf humanitäre Beruhigungsmittel beschränken. Unsere Überlegungen zu diesen kritischen Fragen rühren nicht allein aus dem letzten Jahr her, sondern aus einer Vielzahl von Herausforderungen, mit denen wir heute konfrontiert sind, am dringlichsten in Osttimor.

Von Sierra Leone bis nach Sudan und Angola, vom Balkan bis nach Kambodscha und Afghanistan gibt es zahllose Menschen, die von der internationalen Gemeinschaft mehr brauchen als Worte der Sympathie. Sie brauchen ein wirkliches und dauerhaftes Engagement, um den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen und ihnen den Weg zu Wohlstand zu ebnen. Während der Genozid in Ruanda dafür steht, welche Konsequenzen Untätigkeit angesichts von Massenmord nach sich zieht, hat der aktuellere Konflikt im Kosovo Fragen aufgeworfen hinsichtlich der Konsequenzen von Einsätzen, die ohne vollständige Übereinstimmung seitens der internationalen Gemeinschaft ausgeführt werden. Der Konflikt im Kosovo hat uns das Dilemma der humanitären Intervention deutlich gemacht: auf der einen Seite die Frage nach der Legitimität des Einsatzes einer regionalen Organisation ohne ein Mandat der Vereinten Nationen, auf der anderen Seite die allgemein anerkannte Notwendigkeit, massiven und systematischen Menschenrechtsverletzungen mit schwerwiegenden humanitären Folgen Einhalt zu gebieten.

Das Unvermögen der internationalen Gemeinschaft im Fall des Kosovo, diese zwei gleichermaßen zwingenden Interessen - universelle Legitimität und Effektivität bei der Verteidigung der Menschenrechte - miteinander in Übereinstimmung zu bringen, kann nur als Tragödie betrachtet werden. Es hat uns die zentrale Herausforderung an den Sicherheitsrat und an die Vereinten Nationen als ganzes für das nächste Jahrhundert aufgezeigt: Einigkeit über den Grundsatz herzustellen, daß massive und systematische Menschenrechtsverletzungen nicht ungeahndet bleiben dürfen, gleich wo sie stattfinden. Der Kosovo-Konflikt und dessen Ausgang haben eine breite Debatte von fundamentaler Bedeutung über Konfliktlösung auf dem Balkan, in Zentralafrika und in Ostasien ausgelöst. Und an jede Seite in dieser kritischen Debatte kann man schwierige Fragen richten. Denjenigen, die die Gewaltanwendung ohne Mandat des Sicherheitsrates als größte Bedrohung für die Zukunft der internationalen Ordnung betrachten, könnte man - nicht in Zusammenhang mit dem Kosovo, sondern mit Ruanda - die Frage stellen: Wenn in jenen dunklen Tagen und Stunden vor dem Genozid eine Staatenkoalition bereit gewesen wäre, sich für den Schutz der Tutsi-Bevölkerung einzusetzen, ohne jedoch eine schnelle Autorisierung durch den Sicherheitsrat zu bekommen, hätte eine solche Koalition beiseite treten und erlauben sollen, daß das Schreckliche seinen Lauf nimmt?

Diejenigen, die den Kosovo-Einsatz als Vorbote einer neuen Ära betrachten, in der Staaten und Staatengemeinschaften militärische Gewalt außerhalb der etablierten Mechanismen anwenden, um internationales Recht durchzusetzen, könnte man fragen: Besteht nicht die Gefahr, daß solche Interventionen das nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene zwar unvollkommene, aber doch anpassungsfähige Sicherheitssystem unterminieren und gefährliche Präzedenzfälle schaffen für künftige Interventionen, ohne daß eindeutige Kriterien existieren, wer sich unter welchen Umständen auf diese Präzedenzfälle berufen darf? Herr Präsident, als Antwort auf diese turbulente Ära der Krisen und Interventionen sagen manche, daß die Charta der Vereinten Nationen, entstanden nach einem globalen zwischenstaatlichen Krieg, wenig geeignet sei, uns in einer Welt der ethnischen Kriege und der innerstaatlichen Gewalt als Wegweiser zu dienen. Ich bin der Meinung, daß sie unrecht haben. Die Charta ist ein lebendiges Dokument, dessen höchste Prinzipien weiterhin die Hoffnungen der Menschen auf ein Leben in Frieden, Würde und Entwicklung bezeichnen.

Nichts in der Charta schließt aus, daß Rechte jenseits von Grenzen bestehen. Buchstaben und Geist der Charta bekräftigen vielmehr jene grundlegenden Menschenrechte. Kurzum, es sind nicht die Unzulänglichkeiten der Charta, die uns in diese Situation gebracht haben, sondern unsere Schwierigkeiten, deren Prinzipien auf eine neue Ära anzuwenden, eine Ära, in der die traditionellen Auffassungen von Souveränität den Hoffnungen der Menschen auf fundamentale Freiheiten nicht mehr gerecht zu werden vermögen. Die souveränen Staaten, die vor mehr als einem halben Jahrzehnt diese Charta entworfen haben, waren dem Frieden verschrieben, aber erfahren in Sachen Krieg. Sie kannten den Terror des Krieges, waren sich aber gleichermaßen des Umstands bewußt, daß es Zeiten gibt, in denen der Einsatz von Gewalt zur Sicherung des Friedens legitim sein kann. Darum ist in der Charta verankert, daß "Waffengewalt nur noch im gemeinsamen Interesse angewendet wird". Aber was ist das gemeinsame Interesse? Wer soll es definieren? Wer wird es verteidigen? Mit wessen Autorisierung? Und mit welchen Mitteln der Intervention? Das sind die monumentalen Fragen, die uns beschäftigen, während wir die Schwelle zum neuen Jahrhundert überschreiten.

Ohne konkrete Antworten oder Kriterien vortragen zu wollen, werde ich vier Aspekte von Intervention benennen, die meines Erachtens wichtige Lehren zur Lösung zukünftiger Konflikte enthalten. Erstens ist es wichtig, Intervention so breit wie möglich zu definieren, innerhalb eines weiten Kontinuums die friedfertigsten wie die auf Erzwingungsmaßnahmen abgestellten Einsätze mit einzubeziehen. Die tragische Ironie vieler heutiger Krisen, die weithin unbemerkt stattfinden und ohne daß sich irgendjemand zum Eingreifen veranlaßt sähe, besteht darin, daß sie durch weitaus weniger gefährliche Formen der Intervention gelöst werden könnten als diejenige, die wir unlängst in Jugoslawien erlebt haben. Und dennoch: Das Engagement der internationalen Gemeinschaft für friedenserhaltende Maßnahmen, humanitäre Hilfe, für Normalisierung und Wiederaufbau variiert sehr stark von Region zu Region und von Krise zu Krise. Wenn die neue Bereitschaft, angesichts eines hohen Maßes an Leid zu intervenieren, die Unterstützung der Menschen der Welt behalten soll, bedarf es einer gerechten und konsequenten Anwendung, unabhängig von Region oder Nation. Menschlichkeit ist schließlich unteilbar.

Ebenso muß anerkannt werden, daß jede bewaffnete Intervention Folge gescheiterter Prävention ist. Während wir die Zukunft von Interventionen bedenken, müssen wir die Bemühungen verstärken, präventive Mittel einzusetzen - darunter Frühwarnsysteme, präventive Diplomatie, präventive Einsätze und präventive Abrüstung. Ein aktuelles effizientes Mittel der Abschreckung sind die Tribunale für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien. Ihr Kampf gegen Straffreiheit ist mitentscheidend für die Verhinderung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dies berücksichtigend habe ich den einleitenden Essay meines Jahresberichts dazu benutzt, Möglichkeiten zu untersuchen, von einer Kultur der Reaktion hin zu einer Kultur der Prävention zu gelangen. Sogar die kostenintensivste Politik der Prävention ist, in Menschenleben und Ressourcen gerechnet, wesentlich billiger als die kostengünstigste Form der Gewaltanwendung. Zweitens ist klar, daß Souveränität nicht das alleinige Hindernis effektiver Einsätze in Sachen Menschenrechte oder bei humanitären Krisen darstellt. Von nicht geringerer Bedeutung ist die Art und Weise, in welcher die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen ihr nationales Interesse im Rahmen einer Krise gleich welcher Art definieren. Die traditionelle Verfolgung nationaler Interessen ist freilich ein Hauptmerkmal der internationalen Beziehungen wie der Existenz und Arbeit des Sicherheitsrates.

Aber während die Welt sich seit dem Ende des Kalten Krieges grundlegend verändert hat, meine ich, daß sich unsere Auffassungen des nationalen Interesses nicht in gleichem Maße angepaßt haben. Eine neue, weiter gefaßte Definition des nationalen Interesses würde, davon bin ich überzeugt, die Staaten im neuen Jahrhundert dazu bringen, weit mehr Einigkeit bei der Durchsetzung grundlegender Werte der Charta wie Demokratie, Pluralismus, Menschenrechte oder Rechtsstaatlichkeit zu erzielen. Eine globale Ära erfordert globales Engagement. Bei einer wachsenden Zahl von Herausforderungen, der sich die Menschheit gegenübersieht, ist das kollektive Interesse zugleich das nationale Interesse. Drittens: Gesetzt den Fall, daß eine gewaltsame Intervention notwendig sein sollte, müssen wir sicherstellen, daß der Sicherheitsrat, dem die Aufgabe obliegt, Gewalt im Namen des Völkerrechts zu autorisieren, in der Lage ist, die Herausforderung anzunehmen. Wie ich während des Kosovo-Konfliktes erklärt habe, darf die Entscheidung nicht fallen zwischen Einigkeit im Rat und Untätigkeit angesichts eines Genozids wie im Fall Ruanda auf der einen oder Uneinigkeit im Rat und einem regionalen Eingreifen wie im Fall Kosovo auf der anderen Seite. In beiden Fällen hätten die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in der Lage sein müssen, eine gemeinsame Basis zu finden, um die Prinzipien der Charta aufrecht zu erhalten und im Sinne der Verteidigung der uns gemeinsamen Menschlichkeit zu handeln. Die Erzwingungsmacht des Rates ist ebenso wichtig wie seine Abschreckungskraft. Wenn er außerstande ist, sich geschlossen durchzusetzen, sofern es sich um eine gerechte Sache handelt und die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, dürfte seine Glaubwürdigkeit in den Augen der Welt leiden. Wenn Staaten, die zu kriminellem Verhalten neigen, sich dessen bewußt sind, daß ihre Grenzen keine sichere Verteidigung bedeuten, wenn sie wissen, daß der Sicherheitsrat eingreifen wird, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit Einhalt zu gebieten, werden sie kaum in Erwartung der Unverletzlichkeit ihrer Souveränität einen solchen Kurs einschlagen.

Die Charta verlangt vom Sicherheitsrat, als Verteidiger des gemeinsamen Interesses zu handeln, und wenn er - in einer Ära der Menschenrechte, Interdependenz und Globalisierung - nicht als solcher wahrgenommen wird, besteht die Gefahr, daß andere danach streben, an seine Stelle zu treten. Lassen Sie mich betonen, daß die prompte und effektive Autorisierung einer multinationalen Truppe für Osttimor durch den Sicherheitsrat Ausdruck exakt jener Einigkeit ist, zu der ich heute aufrufe. Die Zahl der Menschenleben und der Grad an Zerstörung ist jedoch zu hoch, als daß wir uns auf unseren Lorbeeren ausruhen könnten. Die schwere Aufgabe, Osttimor Frieden und Stabilität zu bringen, steht uns noch bevor. Und schließlich muß nach dem Ende des Konflikts, ob in Osttimor oder anderswo, das Engagement für den Frieden unbedingt ebenso groß sein wie die Bereitschaft zum Krieg. Auch in dieser Situation ist Konsequenz unerläßlich. Ebenso wie unsere Verpflichtung zu humanitärem Handeln, soll sie legitim sein, universell sein muß, darf unsere Verpflichtung zum Frieden nicht mit der Einstellung der Kriegshandlungen aufhören. In der Zeit nach dem Krieg sind nicht weniger Geschick, Hingabe und Ressourcen erforderlich, um einen dauerhaften Frieden herzustellen und die Rückkehr zur Gewalt zu verhindern.

Kosovo stellt - neben anderen derzeitigen oder kommenden Missionen der Vereinten Nationen - eine solche Herausforderung dar. Wenn die Vereinten Nationen nicht die für den Erfolg notwendigen Mittel und die erforderliche Unterstützung erhalten, ist alles verloren, der Frieden nicht minder als der Krieg. Von der Errichtung einer zivilen Verwaltung über die Herstellung der öffentlichen Ordnung bis hin zum Aufbau einer zivilen, Toleranz, Pluralismus und Prosperität schaffenden Gesellschaft - die Herausforderungen an unsere peacekeeping-, peacemaking- und peace-building-Missionen sind immens. Wenn wir jedoch die notwendigen Mittel erhalten - im Kosovo wie in Sierra Leone und in Osttimor -, haben wir eine reelle Chance, den Teufelskreis der Gewalt eine für alle Mal zu durchbrechen Herr Präsident, wir lassen ein Jahrhundert von beispiellosem Leid und beispielloser Gewalt hinter uns. Unsere größte und bleibende Prüfung wird weiterhin sein, ob es uns gelingt, den Respekt und die Unterstützung der Weltbevölkerung zu gewinnen. Wenn das kollektive Gewissen der Menschheit - ein Gewissen, das Grausamkeit verabscheut, Ungerechtigkeit entschieden ablehnt und Frieden für alle anstrebt in den Vereinten Nationen nicht seinen größten Verfechter findet, besteht die Gefahr, daß es anderswo nach Frieden und Gerechtigkeit sucht. Wenn es in unseren Aussagen und in unseren Taten nicht seine Hoffnungen, Bedürfnisse und Befürchtungen wiedererkennt, wird es womöglich das Vertrauen verlieren, daß wir etwas bewirken können. Ebenso wie wir gelernt haben, daß die Welt nicht abseits stehen kann, wenn ungeheuerliche und systematische Menschenrechtsverletzungen geschehen, haben wir gelernt, daß Interventionen auf universelle Prinzipien gründen müssen, wenn sie die dauerhafte Unterstützung der Weltbevölkerung erhalten sollen.

Diese in Entwicklung begriffene internationale Norm zugunsten von Interventionen zum Schutze von Zivilisten vor Massenmord wird ohne Zweifel die internationale Gemeinschaft auch weiterhin vor tiefgreifende Herausforderungen stellen. Ein solcher Wandel in unserem Verständnis staatlicher Souveränität und Souveränitat des Individuums wird mancherorts Mißtrauen, Skepsis und auch Feindseligkeit hervorrufen. Aber es handelt sich um eine Entwicklung, die wir begrüßen sollten. Warum? Weil sie trotz ihrer Einschränkungen und Unzulänglichkeiten Zeugnis einer Menschheit ist, die sich mehr und nicht weniger Gedanken macht um das Leid mitten unter ihr, einer Menschheit, die mehr und nicht weniger tun wird, um ihm ein Ende zu machen. Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen am Ende des 20. Jahrhunderts.

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